Harpyien-Träume
geeigneten Ort. Die Wolke blähte sich immer mehr auf; sie war begierig darauf, die Gefährten noch im Freien zu erwischen.
»Ihr glaubt wohl, ihr wärt ohne Ärger an den Fluchungeheuern vorbeigekommen«, meldete sich eine raucherfüllte Stimme zu Wort. »Seid ihr aber nicht. Schaut mal dort.« Und ein düsterer Arm erschien, der in eine bestimmte Richtung wies.
»Oh, nein!« murrte Gloha. »Metria ist wieder da.«
»Aber da hinten ist etwas«, bemerkte Mark.
Vor ihnen stand ein riesiges Gebäude. Der untere Teil schien aus Stein und Ziegel erbaut zu sein, darüber befand sich ein kuppelförmiges Dach. Das Haus lag ziemlich genau südöstlich auf ihrem Weg. Davor stand ein großes Schild mit der Aufschrift DONNERKUPPEL. Es gab aber keinerlei Donner; alles war still, bis auf Fractos heulende, aufsteigende Winde.
»Ob da vielleicht ein geflügelter Koboldmann drin ist?« fragte Mark.
»Das bezweifle ich«, erwiderte Trent. »Soweit ich weiß, gibt es keine männlichen Exemplare dieser Art. Aber wir werden mal nachsehen.«
»Wenigstens wird es drinnen trocken sein«, warf Gloha ein. Die Wolke war im Begriff, einen Regenschauer auf sie niedergehen zu lassen. Da nagte ein Gedanke an Gloha. »Meint ihr vielleicht, daß Fracto versucht, uns in dieses Gebäude zu treiben, weil er genau weiß, daß dort drin etwas Böses auf uns wartet?«
»Heiß«, sagte Metria und ließ ihre obere Hälfte sichtbar werden. »Das Haus ist Eigentum der Fluchungeheuer. Sie haben es erst kürzlich erbauen lassen in der Hoffnung, damit irgend etwas einzufangen.«
Doch das Gebäude wirkte verlassen. »Hallo!« rief Trent. »Ist jemand zu Hause?« Er erhielt keine Antwort.
Da die Tür offenstand, begaben sie sich hinein. Sie kamen durch ein höhlenähnliches Labyrinth von Gängen und gelangten schließlich in einen Mittelsaal, der den größten Teil des Gebäudes einzunehmen schien und bis hinauf zur Kuppel reichte. Im ganzen Saal standen Reihen von Bänken, so daß er aussah wie eine monströse bedeckte Schüssel.
Und dort, am Boden zusammengekringelt, lag ein schlafender Riese. Die Gerüchte hatten also doch gestimmt.
»Wie ist der denn hier rein gekommen?« wollte Gloha wissen. »Er ist doch viel zu groß für den Eingang, den wir genommen haben.«
»Vermutlich hat er den Deckel hochgehoben und ist eingetreten«, mutmaßte Mark. »Vielleicht hat er ja nur einen trockenen Platz zum Schlafen gesucht.«
»Genau wie wir«, bekräftigte Trent. »Hoffen wir, daß er freundlich gesinnt ist.«
»Ich schätze, das sollten wir lieber mal feststellen«, meinte Gloha. »Vielleicht sollten wir ihn wecken, und wenn er dann versucht, uns aufzufressen, kannst du ihn in irgendwas Unschädliches verwandeln, Trent.«
»Einverstanden«, sagte der Magier.
Vorsichtig näherten sie sich der schlafenden Kreatur. Vor seinem Ohr blieben sie stehen. Die Luft um ihn herum roch übel, und Gloha erkannte, daß dies an seinem stinkenden Mundgeruch lag.
»Riese«, sagte sie vorsichtig in das Ohr. »Bitte wach auf und sag uns, ob du harmlosen Wandersleuten freundlich gesinnt bist.«
Der Riese schnaubte. Die Luft wurde noch verpesteter. Er schlug die Augen auf, drehte den Kopf am Boden und spähte sie an. »Oh, hallo«, sagte er und hätte sie mit der schieren Wucht und dem gräßlichen Gestank seines Atems beinahe umgeworfen. »Ich bin Griesbogen Riese.«
»Griesbogen!« japste Gloha. »Ich bin deinem Bruder begegnet!«
»Ich habe gar keinen Bruder«, widersprach er.
»Riesenbogen«, sagte sie und tat ihr tapferes kleines Bestes, um nicht unhöflich zu würgen. »Er sagte, du wärst krank.«
»Ach so, mein Vetter! Ja, ich kann meine Unsichtbarkeit nicht mehr aufrechterhalten. Ich wußte gar nicht, daß ihr hier wart, sonst hätte ich euch nicht gestört. Tut mir schrecklich leid. Ich werde gleich gehen, denn ich weiß ja, daß meine Gegenwart für normale Leute unangenehm ist.«
»Nein, wir sind bei dir eingedrungen«, widersprach Gloha. »Du warst als erster hier. Wir sind es, die gehen sollten.«
»Wie ihr wollt«, meinte er. »Geht bitte ein Stück zurück, denn ich will jetzt meinen Kopf heben.«
Sie wichen zurück, während der Riese den Kopf hob und ihn mit der Hand abstützte. Er war viel zu groß, um sich in dem Gebäude aufzusetzen. Es war offensichtlich, daß Griesbogen nicht unfreundlich war. Aber sein Atem…!
Mark traf sie draußen am Rand des Ausgangs. »Ich habe gerade die Gegend erkundet«, verkündete er. »Es regnet Katzen und
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