Harpyien-Träume
schon alles. Es gab weder abzweigende Gänge noch sonst etwas, nur den stillen Teich.
»Und davor sollen die Kobolde Angst haben?« fragte Cynthia verwundert.
»Ja«, bestätigte Gloha. »Warum, weiß ich auch nicht. Wenn es hier irgendwelche schlimmen Ungeheuer gäbe, hätten sie den Z u gang längst versperrt, um die Gefahr zu bannen. Statt dessen h a ben sie den Gang nur als verboten gekennzeichnet. Das ist äußerst seltsam. Aber es bedeutet nicht zwangsläufig, daß es für uns hier sicherer wäre, oder daß es irgendeinen Ausweg gibt. Es bedeutet nur, daß die Kobolde sich nicht hierher trauen.«
Cynthia spähte über die dunkle Wasseroberfläche. »Ich glaube, ich sehe etwas, das sich bewegt.«
Die anderen folgten ihrem Blick. »Es sieht pelzig aus«, warf Gl o ha ein.
Das Ding kam auf sie zu. Es war tatsächlich pelzig, schien sogar aus einem reinen Pelzknäuel zu bestehen. Doch als es näher kam, öffnete es einen pelzigen Schlund, der etwas größer schien, als er in Wirklichkeit war, und schnappte mit großen, pelzigen Zähnen. Funken stoben, als die Zähne aufeinanderklappten.
»Das ist kein guter Ort zum Schwimmen«, bemerkte Trent. »Ich vermute, das Fellungeheuer verläßt niemals das Wasser. Das wi e derum würde bedeuten, daß die Kobolde nicht befürchten mü ß ten, daß es sie verfolgen könnte. Deshalb müssen sie sich lediglich von diesem Teich fernhalten.«
»Ja, und das würde auch die Warnschilder erklären«, bestätigte Gloha. »Kobolde sind faul – sie tun keinen Handschlag mehr, als sie unbedingt müssen. Wenn es keine Notwendigkeit gibt, einen Tunnel zu versperren, würden sie sich nie die Mühe machen. Dann stellen sie bloß ein paar Warnschilder auf, und damit hat sich's.«
»Aber das Wesen sieht doch nicht danach aus, als könnte es e i nen ganzen Koboldstamm abwehren«, widersprach Cynthia. »Das Ding ist ja kaum halb so groß wie ich. Das genügt zwar, um jeden Kobold zu fressen, der aus Versehen ins Wasser fällt…«
»… oder hineingeworfen wird«, sagte Trent.
»Aber dann könnte der Stamm sich immer noch versammeln und das Wesen vom Ufer aus mit Speeren bewerfen«, beendete Gloha den Satz. »Kobolde sind zwar faul, das stimmt, aber in di e sem Fall dürfte ihre Gemeinheit die Sache wettmachen. Eigentlich müßte es ihnen schon Spaß machen, das Wesen vom sicheren Ufer aus anzugreifen. Nein, da muß noch mehr dahinterstecken.«
»Und das sollten wir auch besser in Erfahrung bringen«, sagte Trent, dessen Nachsicht nun, da er niemanden in der Nähe mehr zu täuschen brauchte, langsam nachließ. »Ich könnte diese Kreatur zwar in etwas Harmloses verwandeln, aber ich weiß ja nicht, ob es die einzige ist, oder ob unter Wasser noch mehr auf uns lauern, oder etwas anderes. Mir behagt die Geschichte nicht.«
Der Mann war ein wahrer Meister der Untertreibung!
»Ich nehme an, du könntest mich auch in etwas verwandeln, das sich vor dem Pelzknäuel nicht zu fürchten braucht«, warf Gloha ein. »Beispielsweise in eine Allegorie. Dann könnte ich die Tiefen des Teichs erforschen, um herauszubekommen, ob es dort irgen d einen Ausgang gibt. Darüber, auf ebener Erde oder höher scheint es jedenfalls keinen zu geben.«
»Wir sollten nicht zu voreilig handeln, solange wir nicht müssen«, sagte Trent. »Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein, wenn ich irgend etwas nicht verstehe. Diesem Teich haftet ein Rätsel an, das sich durch die Anwesenheit eines Ungeheuers nicht ausreichend erkl ä ren läßt.«
Cynthia beugte sich über das Wasser und tauchte die Fingerspi t ze ein. Sofort kam das Pelzknäuel herbeigeschossen und schnappte nach ihrer Hand. »Oh!« rief sie und fuhr zurück.
»Das Ding ist aber schnell«, meinte Gloha.
»Das meine ich nicht. Dieses Wasser brennt.« Sie führte den Fi n ger an den Mund.
»Tu das nicht!« fuhr Trent sie an, so daß sie erschrak. »Das Wa s ser könnte giftig sein.«
»Oh!« wiederholte sie und musterte ihren schmerzenden Finger.
Gloha holte ein Taschentuch hervor. »Da ist ein bißchen Heilel i xier drin«, erklärte sie. Sie wischte damit den Finger ab, der bereits Blasen schlug. Das war wirklich Gift!
»Oh, danke«, quittierte Cynthia Glohas Bemühungen. »Es fühlt sich schon viel besser an.«
»Jetzt kennen wir also einen weiteren Grund, weshalb die K o bolde diesen Teich meiden«, sagte Trent. »Das Wasser ist giftig. Das Pelzungeheuer muß daran angepaßt sein. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob wir dieses unangenehme
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