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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
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Unberührbaren, die unsäglichen Schandschnauzen, wir verfügen über das Wissen und hüten den Tempel der Hoffnung Xanths, bis zu jenem Zeitpunkt, da wir geruhen, selbst den Mantel der Vorherrschaft überzustreifen. Unsere Zeit ist noch nicht gekommen, aber sie ist nicht mehr fern. Wenn erst einmal die Harpyienzeit angebrochen ist…«
    Sie brach ab, als ihr klar wurde, daß sie schon zu viel verraten hatte. »Wie dem auch sei, bevor wir dich in Sicherheit ziehen lassen können, mußt du wenigstens wirkungsvoll fluchen lernen. Wenn du das tust, lasse ich dich vielleicht gehen.«
    Das war alles. Die Diskussion war beendet. Tante Haarbutt hatte nach Harpyienmaßstäben eine vernünftige und maßvolle Bedingung gestellt. Aber wie sollte Gloha jemals lernen, so zu fluchen? Ihr kleiner Mund brachte es ja nicht einmal ansatzweise fertig, die dafür erforderlichen gräßlichen Lautfolgen über die Lippen zu bringen.
     
    Gloha blinzelte. Sie war wieder im Wald. Die Schwade des Wahnsinns hatte sich verzogen.
    »Das ist nun wirklich eine vernünftige Vettel«, meinte Metria anerkennend.
    »Du hast… Tante Haarbutt Harpyie gesehen… und gehört?« fragte Gloha verlegen.
    »Sie gesehen? Ich war selbst deine Tante!« versetzte die Dämonin. »Schau dir das Laubwerk an.«
    Gloha tat es: Das Blattwerk in der Nähe war verwelkt, brannte sogar an manchen Stellen, wie von einem wahrhaft fürchterlichen Fluch entzündet. »Aber wie kann das sein?«
    »Das sind nicht einfach nur Erinnerungen«, erläuterte Trent. »Wir anderen mußten plötzlich daran teilnehmen und unsere Rollen spielen. Diese Magie hat uns im Griff.«
    »Dann müssen wir so schnell wie möglich fort von hier, bevor noch etwas Gräßliches passiert«, rief Gloha entsetzt. »Manche meiner Erinnerungen sind alles andere als schön.«
    »Ich glaube kaum, daß wir von hier entkommen werden, bevor deine Erinnerungen nicht aufgelöst wurden«, widersprach Trent. »Irgend etwas macht dir zu schaffen, und bevor das nicht zur Sprache gekommen ist, sitzen wir hier fest.«
    »O weh, das habe ich aber nicht gewollt!« jammerte Gloha.
    »Du hast dich wie eine arrogante kleine Göre benommen«, widersprach Metria. »Du hast geglaubt, der Wahnsinn könnte dir nichts antun.«
    »Da habe ich mich eben geirrt!« rief Gloha verzweifelt. »Dann laufe ich jetzt weg!« Sie setzt sich in Bewegung, doch da sah sie auch schon, wie die Landschaft leicht zu wabern begann, als würde die Wirklichkeit sich verschieben. Das Wabern kam geradewegs auf sie zu. Ein Rauschen, wie von schnell strömendem Wasser, und dann – o nein!
     
    Hinter dem Küchenkräutergarten konnte Gloha Chysalis Kristallbach schon hören, bevor sie sie zu sehen bekam. Von den häufigen Regengüssen gewaltig angeschwollen, hatte das Bachwasser das Geschirr zwischen die Zähne genommen und war in gefährlichster Stimmung. Es schlug auf Felsbrocken ein und versuchte sie aus dem Boden zu lösen, stürzte sich auf jedes Lebewesen, das sich ihm zu nähern wagte. Was immer es erwischte, wurde mitgerissen, hin und her gewirbelt, um schließlich in zuckende Trümmer gehämmert zu werden. Das war kein sicherer Ort für ein unschuldiges Flügelkoboldmädchen.
    Beinahe geblendet von ihren ausufernden Gefühlen und Tränen, rannte Gloha den schlammigen, unregelmäßigen, trügerischen Pfad entlang, der genau ans Ufer des Baches führte. In der Nähe erwachten Ungeheuer und rührten sich, schnüffelten, wurden der nachhängenden Witterung eines saftigen, zarten, jungen Flügelmädchens gewahr. Langsam erhoben sie sich und kamen auf Gloha zu, schnitten ihr den Fluchtweg ab.
    Verängstigt breitete Gloha die Schwingen aus und wollte davonfliegen. Doch das wilde Wasser gab der Luft ein Zeichen, worauf diese sich rührte und sich selbst zu einem tödlichen Kegel zusammenwirbelte, der nach Glohas hübschen kleinen Flügeln griff. Jetzt wagte sie es nicht mehr, einen Flug zu riskieren, aus Furcht, daß sie dabei gerupft werden könnte. Nein, sie mußte am Boden bleiben.
    Doch da erblickte sie etwas noch viel Schlimmeres: silbrige, dahingleitende, geschmeidige Nickelfüßler, die genau auf ihre zarten kleinen Zehen zuhielten. Fangarme fuhren aus dem Boden und griffen nach ihren Füßen, um sie an Ort und Stelle festzuhalten, während sie sich ins Fleisch gruben. Gloha war in eine furchtbare Falle getappt. Wie sollte sie jemals die Flucht schaffen?
    Sie versuchte, den einzigen Pfad entlangzulaufen, den sie ausmachen konnte, ohne zu wissen,

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