Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
weckten.
    Doch Elster hatte so etwas schon einmal erlebt und blieb ungerührt. Am Schluß hatte Gloha ihre Prachtkleidung wieder ausziehen müssen, um in ihren gewöhnlichen, langweiligen Zustand zurückzukehren. Ungehindert nahm ihr trostloses Leben seinen Lauf.
     
    Gloha schüttelte den kleinen Kopf. Sie war wieder im Wald mit Magier Trent und Mark Knochen. Was war passiert? »Ich hatte eigentlich geglaubt, daß dein Leben glücklich verlaufen sei«, sagte Trent erstaunt. »Aber inzwischen ist mir klar geworden, daß niemand zufrieden sein kann, der unter Harpyien lebt.«
    »Du hast meine Erinnerung gesehen?« fragte Gloha verwundert.
    »Sie ist vor uns erschienen«, erklärte Trent.
    »Ich bin zwar kein Experte, was die Sitten lebender Wesen angeht«, warf Mark ein, »aber mir scheint doch, daß es nicht nett von dieser Harpyie war, dir diese heiße schwarze Flüssigkeit über den Rücken zu kippen.«
    »Das habt ihr tatsächlich gesehen? Richtig in kräftigen Farben? Sogar, als ich…«
    »Ich habe den Blick abgewandt, als du dich umgezogen hast«, erwiderte der Magier. »Ich dachte mir, das wäre dir lieber.«
    Gloha hatte eigentlich ihren Wutkoller gemeint, doch nun wurde ihr klar, daß sie noch ganz andere Sorgen am Hals hatte. Sie hatte eine Episode aus ihrem früheren Leben erneut durchlebt, und die anderen hatten zuschauen können, wie sie sich entwickelte. Wie in der Wirklichkeit. Einschließlich ihres vorübergehend entkleideten Körpers.
    Was war denn das für ein Wahnsinn?
    Da wurde Gloha auch alles andere klar. Dies hier war schließlich die Region des Wahnsinns, wo die verstärkte Magie des konzentrierten Magischen Staubes sogar die Erinnerungen sichtbar machte. Sie hätte nicht erwartet, daß es solche Formen annehmen könnte. Und es gefiel ihr auch nicht besonders. »Verschwinden wir möglichst schnell von hier«, schlug sie vor.
    »Was denn? Gerade jetzt, wo der Spaß erst anfängt?« wollte eine Stimme wissen.
    »Wer ist das denn?« fragte Gloha beunruhigt.
    Rauch wirbelte. »Nichts, was dir Sorgen machen müßte, du antiseptisches Koboldmädchen.«
    »Was für ein Koboldmädchen?«
    »Unbeschmutzt, hygienisch, unbefleckt, makellos, fehlerfrei…«
    »Unschuldig?« schlug Trent vor.
    »Was auch immer«, erwiderte der Rauch ärgerlich.
    »Was tust du denn hier, Metria?« fragte Gloha, die selbst ein kleines bißchen ärgerlich geworden war.
    »Ich schnüffle überall dort herum, wo etwas Interessantes passiert. Und jeder, der blöd genug ist, um in die Region des Wahnsinns zu tappen, ist geradezu zwangsläufig interessant.«
    »Etwas Uninteressanteres als mein früheres Leben wirst du wohl kaum zu sehen bekommen. Da kannst du genausogut abhauen.«
    »Oh, da bin ich mir nicht so sicher. Elster sucht sich eigentlich immer die interessantesten Figuren aus, um mit ihnen zu arbeiten.«
    »Du kennst Elster?«
    »Sie ist schließlich eine Dämonin. Sie weiß, wann etwas passieren wird, und sie ist immer da, um das Kindermädchen zu spielen.«
    »Na ja, im Augenblick passiert jedenfalls nichts, also…«
    »Das glaubst du! Da kommt schon wieder ein Schwall Wahnsinn!«
    »Bestimmt nicht«, versetzte Gloha. »Das sagst du bloß, um mich…«
     
    … und endlos lange, einsame Stunden damit zugebracht, endlos lange Gespräche mit ihrer Gegnerin zu führen: Tante Haarbutt, der kämpferischsten aller Harpyien.
    »Chaos und Kaffee!« kreischte Haarbutt Harpyie, als sie mit einem schmutzigen Flügel streifenweise Schlabber, Tropf und Kleb aus der Messehalle in die Feuergrube wischte. Mit einer Klaue hielt sie einen dampfenden Becher fest, während sie auf einem ihrer dürren Beine stand. Sie hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem schwarzgefiederten mürrischen Storch. Wie schmutzige Kohlen glühten ihre roten Augen in den dämmrigen Purpurschatten der verlotterten Halle. Sie wischte sich lange, schmutzige Strähnen fedrigen schwarzen Haares aus der steinernen Alabasterstirn und funkelte ihre Nichte wütend an.
    Glohas empfindlicher kleiner Magen drehte sich immer wieder um, ihr Herz krampfte sich zusammen, und ihr Haar hätte sich am liebsten von der Bildfläche geschlichen. Wie war sie bloß in diese mißliche Lage geraten?
    »Ich habe gefragt, welches Spiel du spielst?« wiederholte eine leise, flüsternde Stimme, die irgendwie noch schlimmer war als das übliche Kreischen.
    Mit eisigem Schreck mußte Gloha erkennen, daß der Gegenstand ihrer Sorge soeben seine formidable Verärgerung auf sie konzentrierte.

Weitere Kostenlose Bücher