Harris, Charlaine - Aurora Teagarden 3 - Drei Zimmer, Leiche, Bad
Martin sagen, was ich von Lizanne wusste? Damit er sich auf seine Verhaftung einstellen konnte? Oder fliehen – obwohl ich mir den Gedanken sofort energisch untersagte. Oder sollte ich es ihm nicht sagen, damit er, wenn die Polizei bei Pan-Am Agra auftauchte, ehrlich überrascht wirken konnte? Ich stellte mir vor, wie sie ihn aus dem Büro führten – welche Erniedrigung; zumindest würden seine Mitarbeiter das so sehen. Ich musste meiner Phantasie dringend Zügel anlegen: Ganz sicher würde niemand Martin auf Grundlage der an den Haaren herbeigezogenen beziehungsweise gar nicht vorhandenen Beweise gegen ihn gleich verhaften! Trotzdem …
Warum machte ich mir eigentlich derartige Sorgen? Von allen Menschen, die ich kannte, schien Martin derjenige, der am besten auf sich selbst aufpassen konnte.
Ich riss mich gewaltsam aus der törichten Angstspirale, die in meinem Kopf rotierte, um Martin Franklin Farrell und seiner Begleiterin vorzustellen, die uns gegenüber Platz genommen hatten. Franklin hatte wohl an dem Tag, als er bei mir anrief, schon seine absolute Reserveliste vorliegen gehabt, vermutlich kam die Frau, die er mitgebracht hatte, im Alphabet gleich hinter mir. Sie war Ende vierzig, auffällig gut gekleidet und frisiert, rein körperlich eine gute Ergänzung für den wie immer makellosen Farrell. Sie glänzte auf eine etwas herbe Art, ihr Benehmen und ihr Geschick bei der Konversation, das keine Rückschlüsse auf ihren Charakter zuließ, schienen mir ein bisschen zu geübt, zu einstudiert. Unterm Strich erweckte die Frau, deren Namen ich nicht richtig mitbekommen hatte, in mir sofort ein ungutes Gefühl, sogar Misstrauen. Sie steckte voll witziger, passender Kommentare, ließ ihr Lächeln von einem zum anderen blitzen, schmiss sich mit ihrer ganzen Art so an Franklin ran, dass es fast schon nach Verzweiflung roch. Unter Garantie waren die beiden noch nie zuvor zusammen ausgegangen. Franklin wiederum verhielt sich ihr gegenüber höflich, aber kalt.
Das Essen wurde serviert. Ich sprach mit Mackie, der links neben mir saß, mit Martin, der rechts neben mir saß, und mit Franklin und Ms. Glitter gegenüber, könnte aber beim besten Willen nicht mehr rekapitulieren, worum es bei diesen Unterhaltungen ging und was ich jeweils von mir gegeben habe.
Eins allerdings bekam ich trotz meiner Sorgen noch mit: Martin und ich erregten als Paar einige Aufmerksamkeit. Man hatte die Tische im Bankettsaal zu einem großen U zusammengeschoben, wobei Martin und ich außen an einem der beiden Schenkel dieses Us saßen. Als Franklin sich einmal bückte, um die Serviette seiner Begleiterin aufzuheben, sah ich, dass von der Außenseite des anderen Schenkels her jemand zu uns herüberstarrte. Mein ehemaliger Liebhaber Arthur Smith saß dort neben seiner Ehefrau, Lynn Liggett Smith vom Morddezernat. Wer um alles in der Welt hatte die beiden eingeladen? Arthur beobachtete mich mit offenkundiger Besorgnis, die hellen Brauen zusammengezogen. Seine Finger trommelten nervös auf der Tischplatte. Lynn dagegen aß friedlich vor sich hin, wobei sie Eileen Norris zuhörte. Eileen war zusammen mit Terry Sternholtz zum Bankett erschienen und hatte alle Anwesenden wissen lassen, die beiden alleinstehenden Damen der Branche hätten einfach beschlossen, gemeinsam auszugehen.
Als ich kaum merklich die Brauen hob, wurde Arthur prompt rot und senkte den Blick.
Da wusste ich, Lizanne hatte sich nicht geirrt. Martin stand unter Verdacht. Mochte ich vorher noch gehofft haben, man hätte Lizanne etwas Falsches vermittelt, durfte ich mir jetzt absolut nichts mehr vormachen.
„Alles in Ordnung?“, fragte Martin.
„Ja, danke. Ich muss …“ Eigentlich hatte ich sagen wollen, ich müsse ihm später dringend etwas sagen, aber ich persönlich fand es schrecklich, wenn jemand mich mit Andeutungen quälte. „Alles bestens“, sagte ich stattdessen. „Schmeckt dir der Salat?“
„Zu viel Essig.“ Martin warf mir einen scharfen Blick zu. Er ahnte, dass etwas in der Luft lag.
Irgendwie schaffte ich es, die ganze Mahlzeit über die richtigen Dinge zu tun und wohl auch zu sagen, aber als Bubba das Podium erklomm, um sich über die neueste Gesetzgebung in Punkto Immobilienwirtschaft auszulassen, durfte ich endlich komplett abschalten. Es fiel mir schwer, höflich in seine Richtung zu schauen. In meinem Kopf nahmen die Probleme die Ausmaße eines Monsters mit viel zu vielen Gesichtern an, meine Angst steigerte sich ins Unermessliche. Ich hatte Angst,
Weitere Kostenlose Bücher