Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
ü r Ihren Freund? «
» Ich m ö chte seinen Stammbaum f ü r ihn zusammenstellen.«
Kurz darauf sa ß er an dem anderen Schreibtisch vor drei B ü chern, die ihm der alte Mann gegeben hatte. Sie waren in Leder gebunden, rochen nach Staub und hatten das Format von Bildb ä nden. Auf den Seiten wechselten sich Text und historische Aufnahmen ab. Er schlug eines der B ü cher wahllos auf und sah ein Schwarzwei ß foto des im Bau befindlichen De Anza Hotels.
Dann begann er mit dem ersten Band Calexico und Mexicali: F ü nfundsiebzig Jahre an der Grenze. Beim Durchbl ä ttern erfuhr er einiges ü ber die beiden St ä dte und die M ä nner, die sie aufgebaut hatten. Die Geschichte war die gleiche, die Aguila ihm erz ä hlt hatte – allerdings aus der Perspektive der Wei ß en. Das Buch erw ä hnte die schreckliche Armut in Tapai, China und beschrieb die Freude der M ä nner, nach Baja California kommen zu k ö nnen, um dort ihr Gl ü ck zu suchen. Keine Rede von billigen Arbeitskr ä ften.
In den zwanziger und drei ß iger Jahren wuchs Calexico rapide. Die Stadt war Eigentum der Colorado River Land Company und die Manager Herren ü ber die ganze Gegend. Das Buch berichtete, wie sie sich prachtvolle H ä user und Villen auf den H ü geln errichteten, die auf die Stadt hinabschauten. Immer wieder tauchten die Namen von drei Moore-Br ü dern auf: Anderson, Cecil und Morgan. Es gab noch andere Moores, diese drei zeichneten sich jedoch besonders aus durch ihre Stellung und ihre gehobenen Positionen in der Company.
In einem Kapitel mit dem Titel » Staubige Stra ß en mit Gold gepflastert « sah Bosch den Mann, nach dem er gesucht hatte. Es war Cecil Moore. Auf einer Seite, die den Wohlstand beschrieb, der durch den Baumwollanbau nach Calexico gekommen war, war das Foto eines fr ü h ergrauten Mannes vor einem riesigen Haus im mediterranen Stil. Es war der Mann, dessen Foto Moore in der zerknitterten T ü te aufbewahrt hatte. Auf der linken Seite erhob sich ein Turm mit zwei nebeneinanderliegenden Bogenfenstern unter der Spitze. Der Turm verlieh dem Haus den Charakter eines spanischen Schlosses. Es war das Haus, in dem Cal Moore als Kind gelebt hatte.
» Das ist der Mann, und das ist das Haus.« Bosch zeigte dem alten Mann das Buch.
» Cecil Moore.«
» Lebt er noch? «
» Nein, auch keiner seiner Br ü der mehr. Er war der letzte. Letztes Jahr ist er im Schlaf gestorben. Aber ich glaube, Sie irren sich.«
» Wieso? «
» Cecil hatte keine Kinder.«
Bosch nickte. » Vielleicht haben Sie recht. Was ist mit dem Haus. Ist das ebenfalls nicht mehr da? «
» Sie arbeiten nicht wirklich an einem Stammbaum, habe ich recht? «
» Ja. Ich bin Polizist in L. A. Ich gehe einer Geschichte nach, die mir jemand ü ber diesen Mann erz ä hlt hat. Werden Sie mir dabei helfen? «
Der alte Mann sah ihn an, und Bosch bedauerte, ihm nicht gleich die Wahrheit gesagt zu haben.
» Ich wei ß zwar nicht, was das alles mit Los Angeles zu tun hat, aber fragen Sie.«
» Steht dieses Haus mit dem Turm noch? «
» Ja, Castillo de los Ojos ist noch da. Wegen der Fenster am Turm wurde es Schlo ß der Augen genannt. Wenn sie nachts erleuchtet waren, hat man gesagt, ›diese Augen schauen auf ganz Calexico.‹ «
» Wo steht es? «
» Am Kojote Trail, einer Stra ß e westlich der Stadt. Auf der 98 fahren Sie am Pinto Wash vorbei zu einem Gebiet mit dem Namen Crucificion Thorn. Dort biegen Sie auf die Anza Road – wie das Hotel hier – ab und fahren bis zum Kojote Trail. Das Schlo ß befindet sich am Ende der Stra ß e. Man kann es nicht verfehlen.«
» Wer lebt jetzt dort? «
» Ich glaube, niemand. Er hat es der Stadt vererbt. Aber die Instandhaltungskosten waren zu hoch, also wurde es weiterverkauft – ich glaube, der neue Besitzer ist auch aus Los Angeles. Allerdings ist er nie eingezogen. Schade, ich dachte, man k ö nnte ein Museum daraus machen.«
Bosch dankte ihm und ging, um nach Crucificion Thorn zu fahren. Er hatte keine Ahnung, ob das Castillo de los Ojos etwas mit seinem Fall zu tun hatte oder nur das Haus eines toten reichen Mannes war. Aber er hatte sonst nichts zu tun, und sein Instinkt riet ihm, die Spur weiterzuverfolgen.
Die Landstra ß e 98 war ein zweispuriger Asphaltstreifen, der von Calexico aus die Grenze entlang nach Westen verlief und riesige Felder durchquerte, die durch Bew ä sserungskan ä le rechteckig unterteilt waren. Der Fahrtwind trug ihm den Geruch von gr ü nen Pfefferschoten und Cilantro zu. Als
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