Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
er an einem Baumwollfeld vorbeifuhr, wurde ihm bewu ß t, da ß all die L ä ndereien hier einmal der Company geh ö rt hatten.
Vor ihm erhoben sich H ü gel, und das Haus, in dem Calexico Moore als Kind gewohnt hatte, war schon lange, bevor er es erreichte, zu sehen. Castillo de los Ojos. Die zwei Bogenfenster wirkten wie dunkle, leere Augenh ö hlen in der pfirsichfarbenen Fassade des Turms, der von einer Erhebung am Horizont in den Himmel ragte.
Bosch ü berquerte eine Br ü cke ü ber einen ausgetrockneten Flu ß , von dem er annahm, da ß es der Pinto Wash war, und sah kurz hinunter. Unten stand ein hellgr ü ner Chevy Blazer mit einem Mann am Steuer, der durch ein Fernglas blickte. Grenzschutz. Der Fahrer nutzte die Mulde des Flu ß betts als Versteck, um Leuten aufzulauern, die illegal ü ber die Grenze kamen.
Die Felder endeten am ausgetrockneten Pinto. Auf der anderen Seite erhoben sich H ü gel, die mit verdorrten Str ä uchern bedeckt waren. Er kam an eine Abzweigung neben einem Hain von Eukalyptusb ä umen und Eichen, die reglos in der Windstille des Morgens standen. Ein Hinweisschild markierte das Gel ä nde:
CRUCIFICION THORN NATURPARK
Gefahr! Verlassene Minen!
Die B ü cher der historischen Gesellschaft hatten die Goldminen erw ä hnt, die sich um die Jahrhundertwende auf beiden Seiten der Grenze befunden hatten. Riesige Verm ö gen waren von Spekulanten angeh ä uft und wieder verloren worden. Die H ü gel hatten von Banditen gewimmelt. Dann kam die Company und stellte wieder Ordnung her.
Bosch z ü ndete sich eine Zigarette an und sah sich beim Fahren den Turm genauer an. Es war jetzt zu erkennen, da ß er sich hinter einer Mauer erhob, die das Anwesen umgab. Die Leblosigkeit der Szene und die erstarrten Augen der Turmfenster gaben dem Ganzen einen morbiden Charakter. Der Turm war nicht das einzige Geb ä ude auf dem H ü gel. Er konnte die runden Dachziegel anderer H ä user sehen. Aber der Turm, der ü ber alles hinausragte, wirkte mit den leeren Glasaugen v ö llig einsam. Tot.
Nach einer halben Meile bog er nach Norden auf die Anza Road ab. Mit vielen Kurven und Schlagl ö chern wand sich die schmale Stra ß e um den H ü gel nach oben. Rechts konnte er auf die Felder in der Ebene hinuntersehen. Auf dem Kojote Trail fuhr er dann an gro ß en Haciendas vorbei, die auf riesigen Grundst ü cken lagen. Von den meisten sah er nur den ersten Stock, da sie sich alle hinter Mauern befanden.
Der Kojote Trail endete in einem Rondell, in dessen Mitte eine m ä chtige Eiche emporwuchs, deren Zweige dem Platz im Sommer Schatten spenden w ü rden. Castillo de los Ojos stand am Ende der Stra ß e.
Eine drei Meter hohe Mauer versperrte die Sicht von der Stra ß e, allein der Turm war noch zu sehen. Nur durch ein schmiedeeisernes Tor konnte man etwas mehr ü berschauen. Harry fuhr auf die Auffahrt und hielt davor. Es war mit einer schweren Eisenkette und einem Vorh ä ngeschlo ß verschlossen. Er stieg aus und sah durch das Gitter, da ß die kreisrunde Auffahrt vor dem Haus leer war. Die Vorh ä nge vor den Fenstern waren alle zugezogen.
An der Mauer neben dem Tor befand sich ein Briefkasten und eine Sprechanlage. Er dr ü ckte auf die Klingel, erhielt jedoch keine Antwort. Er war sich nicht sicher, was er gesagt h ä tte, h ä tte sich jemand gemeldet. Er ö ffnete den Briefkasten und fand ihn leer.
Bosch lie ß den Wagen stehen und ging die Stra ß e hinunter zum n ä chsten Haus, das nicht von einer Mauer, sondern von einem wei ß en Holzzaun umgeben war. Am Tor befand sich ebenfalls eine Sprechanlage, und diesmal antwortete ihm jemand.
» Ja? « sagte eine Frauenstimme.
» Polizei. Ich h ä tte Ihnen gern ein paar Fragen gestellt ü ber das Nachbarhaus.«
» Welcher Nachbar? «
Die Stimme war sehr alt.
» Das Schlo ß .«
» Niemand wohnt da. Mr. Moore ist vor einigen Jahren gestorben.«
» Das ist mir bekannt. Ich w ü rde gern reinkommen und mit Ihnen kurz sprechen … Ich kann mich ausweisen.«
Sie z ö gerte etwas, bevor er ein knappes » Nun gut « h ö rte und der T ü r ö ffner schnarrte.
Die Frau bestand darauf, da ß er seinen Dienstausweis vor ein kleines Fenster in der T ü r hielt. Sie hatte schlohwei ß es Haar und war altersschwach; es kostete sie gro ß e M ü he, sich in ihrem Rollstuhl aufzust ü tzen, um den Ausweis anzuschauen. Endlich ö ffnete sie.
» Warum schicken sie einen Polizisten von Los Angeles her? «
» Ich untersuche einen Fall in Los Angeles. Er
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