Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
nicht.«
Ein paar Augenblicke dachte Bosch nach. Er stellte sich vor, wie Porter am anderen Ende im Dunklen stand. Allein.
» H ö r gut zu.« Er senkte die Stimme. » Nimm dich vor Pounds in acht mit deinem Antrag. Eventuell hetzt er dir Anz ü ge zur Ü berpr ü fung auf den Hals. Du darfst dich nicht in Bars blicken lassen. Eventuell versucht er deinen Antrag zu torpedieren. Verstanden? «
Nach einer Weile best ä tigte Porter, da ß er kapiert hatte. Bosch legte den H ö rer auf und schaute die anderen am Tisch an. Im gro ß en Raum schien immer so lange L ä rm zu herrschen, bis er ein vertrauliches Telefongespr ä ch f ü hren wollte. Er fischte nach einer Zigarette.
» Achtundneunzig hat Porters F ä lle bei dir abgeladen? « fragte Edgar.
» Ja, ja, bei der M ü lldeponie der Abteilung.«
» Und was sind wir dann, Schei ß hauspatrouille? «
Bosch grinste. Anscheinend wu ß te Edgar nicht, ob er sich freuen oder ä rgern sollte, da ß man ihm nicht die Arbeit zugeteilt hatte.
» Also, Jed, wenn du willst, schwing ich mich r ü ber zum Kabuff und sage Achtundneunzig, da ß du dich freiwillig gemeldet hast, die H ä lfte zu ü bernehmen. Der Sesselfurzer wird sicher …«
Er brach ab, weil Edgar ihn unter dem Tisch getreten hatte, und drehte sich um. Von hinten n ä herte sich Pounds mit knallrotem Gesicht – wahrscheinlich hatte er die letzten S ä tze geh ö rt.
» Bosch, du wirst doch nicht etwa das widerliche Ding hier rauchen, oder? «
» Nein, Lieutenant, ich war auf dem Weg nach drau ß en.« Er schob den Stuhl zur ü ck und ging mit der Zigarette hinten hinaus auf den Parkplatz. Die Hintert ü r der Ausn ü chterungszelle stand offen. Die Alkoholleichen von Weihnachten hatte man schon in den Gef ä ngnisbus verfrachtet und zum Gericht gefahren. Ein Schlie ß er im grauen Overall spritzte den Zellenboden mit einem Schlauch ab. Es war allgemein bekannt, da ß der Boden leichtes Gef ä lle hatte, damit er leichter zu s ä ubern war. Harry beobachtete, wie das dreckige Wasser ü ber die Schwelle auf den Parkplatz schwappte, wo es unter einem Kanalgitter verschwand. Im Wasser schwamm Erbrochenes und Blut, der Gestank von der Zelle war ekelerregend. Aber er hielt die Stellung. Hier war sein Platz.
Als er ausgeraucht hatte, warf er den Stummel ins Wasser und schaute ihm hinterher auf dem Weg zum Abflu ß .
6
Nach seiner Rückkehr überfiel ihn das Gefühl, das gro ß e B ü ro h ä tte sich in ein Theater verwandelt – mit ihm als einzigem Darsteller auf der B ü hne. Die neugierigen Blicke wurden ihm schlie ß lich zuviel; er griff sich den Stapel Hefter und ging durch die Hintert ü r auf den Parkplatz. Von dort trat er wieder durch die T ü r der Wachstube ein und ging durch einen kurzen Flur an den Arrestzellen vorbei zur Treppe. Im Obergescho ß gab es einen Lagerraum, der wegen der Feldbetten an der R ü ckwand die Hochzeitssuite genannt wurde. Ein inoffizieller Schlaf- und Aufenthaltsraum. Hier oben stand ein alter Kantinentisch und ein Telefon – und es war ruhig. Das war alles, was er brauchte.
Heute hielt sich niemand hier auf. Den Hefterstapel legte Bosch ab, r ä umte dann eine zerbeulte Sto ß stange, die als Beweisst ü ck etikettiert war, vom Tisch und lehnte sie an einen Aktenschrank neben ein Surfboard, an dem gleichfalls ein Schildchen hing. Dann machte er sich an die Arbeit.
Der Stapel war drei ß ig Zentimeter hoch. Pounds hatte die Mordziffer in Hollywood in diesem Jahr mit Sechsundsechzig angegeben. Wenn man einberechnete, wie die F ä lle verteilt wurden und da ß Harry wegen der Schu ß wunde zwei Monate Genesungsurlaub gehabt hatte, mu ß te Porter vierzehn F ä lle erhalten haben. Da acht noch offen waren, bedeutete das, da ß er sechs gekl ä rt hatte. Keine schlechte Statistik, wenn man ber ü cksichtigte, da ß Mord in Hollywood vom Zufall bestimmt war. Ü berall sonst in Amerika kennen die Opfer ihre M ö rder. Es sind die Menschen, mit denen sie essen, trinken, schlafen, leben. In Hollywood ist es anders. Hier gibt es keine Regeln – nur Ausnahmen, Abarten. Fremde t ö ten Fremde. Ohne Grund. Opfer fand man ü berall, in Hinterg äß chen, am Rand des Freeways, unter den B ü schen im Griffith Park oder in Plastiks ä cken, die man in die M ü llcontainer von Restaurants geworfen hatte. Bei einem von Harrys offenen F ä llen ging es um eine Leiche, deren Teile man auf den Abs ä tzen der Feuerleiter eines sechsst ö ckigen Hotels an der Gower Street gefunden
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