Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
Sache f ü r dich damit zu Ende ist. Ich habe die Anweisung bekommen, da ß du dir ü ber den Moore-Fall nicht den Kopf zerbrechen sollst.«
» Wie soll ich das verstehen? «
» Wie es gemeint ist.«
» Pa ß auf, wenn du …«
» Schon gut.« Pounds hob beruhigend die H ä nde und zwickte sich dann oben an der Nase – ein Kopfschmerzanfall. Aus der mittleren Schublade des Schreibtisches holte er eine Schachtel Aspirin und schluckte zwei Tabletten ohne Wasser hinunter.
» Mehr ist nicht zu sagen! Okay? « sagte Pounds. »Ich werde nicht … Ich brauche nicht …«
Pl ö tzlich begann Pounds zu w ü rgen und sprang auf. Er rannte an Bosch vorbei aus dem Glaskasten zum Trinkwasserbrunnen, der am Eingang stand. Bosch drehte sich nicht einmal um. Er blieb sitzen. Ein paar Augenblicke sp ä ter kam Pounds zur ü ck und fuhr fort.
» Entschuldige. Also, ich habe keine Lust, mich jedesmal mit dir zu streiten, wenn ich dich zu einer Besprechung bitte. Meiner Ansicht nach solltest du dich mit deinen Problemen in Bezug auf Befehlsgewalt und Hierarchie mal auseinandersetzen. Das ist ja schon extrem bei dir.«
In seinen Mundwinkeln war etwas wei ß er Schaum von den heraufgew ü rgten Tabletten angetrocknet. Pounds r ä usperte sich.
» Ich gebe das an dich weiter in deinem besten …«
» Warum sagt mir Irving das nicht selbst? «
» Ich habe nicht gesagt … Okay, Bosch, vergi ß es! Du wei ß t Bescheid, und damit hat sich’s. Komm nicht auf irgendwelche Ideen wegen gestern abend und Moore. Die Sache wird ordnungsgem äß erledigt.«
» Sicher.«
Die Warnung war ausgesprochen, Bosch stand auf. Am liebsten h ä tte er diesen Typ durch die Glaswand geworfen, aber er mu ß te sich wohl mit einer Zigarette drau ß en hinter der Ausn ü chterungszelle begn ü gen.
» Setz dich hin! Deshalb habe ich dich nicht reingeholt.« Bosch setzte sich wieder und wartete still. Er beobachtete, wie Pounds versuchte, sich zu beruhigen. Pounds nahm ein Holzlineal aus der Schublade und begann geistesabwesend damit zu spielen, w ä hrend er sprach.
» Harry, wei ß t du, wieviel Morde wir in diesem Jahr im Bezirk hatten? «
Die Frage kam unerwartet. Harry fragte sich, was Pounds im Schilde f ü hrte. Elf F ä lle hatte er pers ö nlich gehabt, aber er war sechs Wochen au ß er Dienst gewesen, als er sich in Mexiko von seiner Schu ß wunde erholte. Er w ü rde sch ä tzen, insgesamt siebzig F ä lle in diesem Jahr.
» Keine Idee.«
» Nun, ich werd’s dir sagen. Bis heute sind es Sechsundsechzig. Nat ü rlich haben wir noch f ü nf Tage in diesem Jahr. Wahrscheinlich kommt noch einer dazu. Wenigstens einer. Silvester ist immer Trouble. Wir …«
» Na und? Letztes Jahr hatten wir neunundf ü nfzig. Die Anzahl der Mordf ä lle steigt. Das ist nichts Neues.«
» Neu ist, da ß die Rate der aufgekl ä rten Morde zur ü ckgeht. Weniger als die H ä lfte davon – zweiunddrei ß ig von Sechsundsechzig. Ein Gutteil dieser F ä lle wurde von dir gel ö st. Auf meiner Liste stehst du mit elf F ä llen; davon wurden sieben durch Verhaftung abgeschlossen. In zwei weiteren wurden Haftbefehle erlassen. Einer von den zwei offenen wird bis auf weiteres nicht bearbeitet, und im Moment bist du in der James-Kappalanni-Sache aktiv. Richtig? «
Bosch nickte. Ihm gefiel nicht, wie sich die Unterredung entwickelte. Aber er war sich nicht sicher, weshalb.
» Das Problem ist die Gesamtstatistik «, fuhr Pounds fort. » Zusammen genommen … Also, es sieht erb ä rmlich aus.«
Pounds schlug sich mit dem Lineal in die Hand und sch ü ttelte den Kopf. Allm ä hlich begriff Harry, worum es ging; es fehlte ihm jedoch noch ein Teilchen. Er war sich nicht ganz sicher, worauf Pounds hinauswollte.
» Denk mal dr ü ber nach! All die Opfer und ihre Familien, die auf Gerechtigkeit warten m ü ssen. Und stell dir mal vor, wie das ö ffentliche Vertrauen in die Polizei ersch ü ttert wird, wenn die L. A. Times auf der Lokalseite verk ü ndet, da ß mehr als die H ä lfte der M ö rder in Hollywood nicht gefa ß t wird.«
» Ich glaube, wir m ü ssen uns keine Sorgen machen, da ß das ö ffentliche Vertrauen noch geringer wird «, sagte Bosch. » Das ist kaum m ö glich.«
Pounds rieb sich wieder den Nasenr ü cken und erwiderte ruhig: » Deine zynische Berufsauffassung ist im Moment nicht gefragt, Bosch. Deine Arroganz kann ich hier nicht brauchen. Ich kann dich jederzeit von Mord zu Autodiebstahl oder Jugendstraftaten versetzen. Kapiert? Falls du dich
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