Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
sie sich als junger Mann machen lassen.
Im Tatortbericht, den Porter ausgef ü llt hatte, stand, da ß die Leiche um 1. 44 Uhr am Morgen des 18. Dezember von einem Polizisten nach Dienstende entdeckt worden war. Er war auf dem Weg zu einem fr ü hen Fr ü hst ü ck oder sp ä ten Abendessen, als er die Leiche neben dem M ü llcontainer hinter dem Egg-and-I-Restaurant liegen sah. Der Bericht f ü hrte den Polizisten nur mit seiner Dienstnummer auf.
M/P #1101 hatte kurz zuvor Code sieben gemeldet und hinter dem Geb ä ude mit der Absicht geparkt, es zum Essen zu betreten. Opfer lag auf dem R ü cken, Kopf nach Norden, F üß e nach S ü den, sichtbare betr ä chtliche Verletzungen. M/P verst ä ndigte den wachhabenden Commander, da ß eine Tatortaufnahme wegen Mordes notwendig war. M/P sah keine weiteren Individuen in der N ä he des M ü llcontainers vor oder nach der Entdeckung der Leiche.
Bosch sah den Hefter nach einem Bericht des meldenden Polizisten durch, aber es war keiner vorhanden. Danach sah er sich die anderen Fotos an. Sie zeigten die Leiche am Fundort, bevor sie von der Gerichtsmedizin zum Leichenschauhaus transportiert worden war.
Die Kopfhaut war durch einen einzigen brutalen Schlag aufgerissen worden; au ß erdem wies das Opfer Gesichtswunden auf. Schwarzgetrocknetes Blut befand sich am Hals und auf dem ehemals wei ß en T-Shirt des Mannes. Seine offenen H ä nde lagen an der Seite. Nahaufnahmen zeigten zwei Finger an der rechten Hand, die durch einen offenen Bruch zur ü ckgebogen waren – typische Verteidigungswunden. Von den Wunden abgesehen, fielen Bosch noch die rauhen und vernarbten H ä nde auf sowie die kr ä ftigen Armmuskeln. Er hatte ganz offensichtlich mit den H ä nden gearbeitet. Aber was hatte er um ein Uhr morgens in der Gasse hinter dem Restaurant zu schaffen?
Als n ä chstes folgten die Zeugenaussagen der Angestellten vom Egg and I. Es waren ausschlie ß lich M ä nner, was Bosch eigenartig vorkam, weil er ö fter dort gefr ü hst ü ckt und mehrere Kellnerinnen gesehen hatte. Anscheinend hatte Porter sie f ü r unwichtig gehalten und sich aufs K ü chenpersonal konzentriert. Alle hatten ausgesagt, da ß sie sich nicht erinnern konnten, das Opfer je gesehen zu haben – lebendig oder tot.
Porter hatte ein Sternchen oben auf die Aussage eines Kochs gekritzelt, der um eins zur Arbeit erschienen war und an der Ostseite des Containers vorbei durch die Hintert ü r die K ü che betreten hatte. Er hatte keinen K ö rper auf dem Boden liegen sehen und war sich sicher, da ß er die Leiche bemerkt h ä tte, wenn sie dort gelegen h ä tte.
Dadurch konnte Porter die m ö gliche Tatzeit auf die Zeitspanne von f ü nfundvierzig Minuten zwischen dem Arbeitsbeginn des Kochs und dem Erscheinen des Polizisten einengen.
Hinter den Zeugenaussagen hatte Porter die Suchergebnisse der Computer des LAPD, des Nationalen Kriminalarchivs, des kalifornischen Justizministeriums und der Einwanderungsbeh ö rde abgeheftet. Alle vier hatten ein negatives Resultat erbracht. Juan Doe #67 blieb unidentifiziert.
Am Ende waren Porters Notizen von der Autopsie abgeheftet, die wegen der ü blichen R ü ckst ä nde bei der Gerichtsmedizin erst Dienstag, Heiligabend, vorgenommen worden war. Es ging Bosch durch den Kopf, da ß das wahrscheinlich Porters letzte dienstliche Verpflichtung gewesen war. Er hatte noch einmal zugeschaut, wie ein K ö rper aufgeschnitten wurde. Nach Weihnachten war er dann nicht mehr zum Dienst erschienen.
Vielleicht hatte Porter bereits gewu ß t, da ß er nicht zur ü ckkommen w ü rde, da er nur sp ä rliche Notizen gemacht hatte. Eine einzige Seite, ein paar Ideen. Einiges konnte Bosch nicht entziffern; anderes konnte er lesen, es ergab jedoch keinen Sinn. Unten auf der Seite hatte Porter etwas eingekreist: »TZ-12 bis 18 Uhr.«
Bosch verstand die Bedeutung des Satzes. Die Messung der K ö rpertemperatur in der Leber und andere Symptome lie ß en darauf schlie ß en, da ß sich der Tod zwischen mittags und 18 Uhr ereignet hatte, aber nicht sp ä ter als 18 Uhr.
Das war unlogisch, dachte Bosch zuerst. Der Todeseintritt wurde dadurch wenigstens siebeneinhalb Stunden vor der Entdeckung der Leiche angesetzt. Es pa ß te auch nicht damit zusammen, da ß der Koch um 1 Uhr morgens nichts gesehen hatte.
Porter hatte die Notiz wegen dieser Widerspr ü che markiert. Es konnte nur bedeuten, da ß Juan Doe #67 nicht hinter dem Restaurant get ö tet worden war. Man hatte ihn woanders umgebracht
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