Harry Bosch 02 - Schwarzes Eis
noch das M ü nztelefon in der Bar benutzen, und Bosch ging allein. Die Luft drau ß en war k ü hl, und er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette. Auf der anderen Stra ß enseite bewegte sich etwas im dunklen Park. Ein Verr ü ckter n ä herte sich dem Lichtkreis einer Laterne. Ein schwarzer Mann. Er schritt im Parademarsch mit ungelenken Armbewegungen, drehte sich auf dem Absatz und verschwand wieder in der Dunkelheit. Ein Posaunist, der einer Marschkapelle in einer anderen Welt folgte.
18
Das Apartment-Gebäude, in dem Cal Moore gewohnt hatte, bestand aus drei Etagen und wirkte an der Franklin Avenue wie ein gro ß es gelbes Taxi inmitten von Kleinwagen am Flughafen. Es war eines der Geb ä ude in dieser Gegend, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut und mit viel Stuck verziert waren. Es trug den Namen The Fountains, aber die Brunnen waren inzwischen mit Erde gef ü llt und mit Blumen bepflanzt. Das Hauptquartier der Scientology-Kirche war nur einen Block entfernt. Das wei ß e Neonzeichen des Scientology-Komplexes tauchte die Umgegend in ein unheimliches Licht. Bosch stand am Bordstein und rauchte eine Zigarette. Es war fast zehn, also war nicht zu bef ü rchten, da ß ihm jemand einen Pers ö nlichkeitstest aufschwatzen w ü rde. Er studierte das Apartment-Geb ä ude eine halbe Stunde lang, bevor er sich entschlo ß , den Einbruch zu wagen.
Es war ein gesichertes Geb ä ude, aber eigentlich nur auf dem Papier. Mit einem Buttermesser, das er mit seinem Dietrich im Handschuhfach seines Caprice verwahrte, ö ffnete Bosch das Tor vor dem Geb ä ude. Die T ü r zur Eingangshalle stellte kein Problem dar. Das Schlo ß war lange nicht ge ö lt worden und schnappte daher nicht mehr zu. Bosch ging hinein und fand auf der Mietertafel Moores Namen. Er wohnte in Nummer sieben im zweiten Stock.
Das Apartment war am Ende des Korridors, der das Geb ä ude in der Mitte teilte. Das Polizeisiegel war direkt auf den T ü rknauf geklebt. Harry schnitt es mit einem kleinen Federmesser ein, das er an seinem Schl ü sselring trug, und kniete sich hin, um das Schlo ß zu betrachten. Vom Korridor gingen noch zwei andere Apartments ab, aber weder Fernseher noch Stimmen waren zu h ö ren. Die Beleuchtung war gut, und er ben ö tigte die Taschenlampe nicht. Moore hatte ein normales Zylindersicherheitsschlo ß . Mit einem gebogenen Druckhaken und einem Laubs ä geblatt drehte er das Schlo ß in knapp zwei Minuten auf.
Mit seiner in ein Taschentuch geh ü llten Hand am T ü rknauf ü berlegte er sich noch einmal, ob es weise war, einzubrechen. Sollten Irving oder Pounds es herausfinden, m üß te er noch vor Jahresende wieder Streife gehen. Er sah noch einmal den Flur lang und ö ffnete dann die T ü r. Es ging nicht anders. Niemand sonst schien sich f ü r Cal Moores Schicksal zu interessieren. Das war okay. Aber aus irgendeinem Grund interessierte es Bosch. Vielleicht k ö nnte er den Grund dort drinnen entdecken.
Sobald er in der Wohnung war, verschlo ß er die T ü r wieder und blieb stehen. Seine Augen stellten sich allm ä hlich auf das Licht ein. Das Apartment roch muffig und war dunkel bis auf das blauwei ß e Licht der Scientology-Kirche, das durch die Fenstervorh ä nge des Wohnzimmers drang. Bosch ging durchs Zimmer und schaltete die Lampe auf dem Beistelltisch neben einem alten, ramponierten Sofa an. Im Licht sah er, da ß die Einrichtung des Apartments seit circa zwanzig Jahren nicht mehr erneuert worden war. Von der Couch aus waren Trampelpfade zur K ü che und zum Flur rechts in den dunkelblauen Teppichboden gewetzt.
Er ging weiter und sah kurz in die K ü che, ins Schlafzimmer und ins Badezimmer. Was ihm auffiel, war die Leere. Es gab nichts Pers ö nliches. Keine Bilder an der Wand, keine Zettel am K ü hlschrank, keine Jacke, die ü ber einem Stuhl hing. Noch nicht einmal ein Teller im Sp ü lbecken. Moore hatte hier gewohnt, aber es war fast so, als h ä tte er nicht existiert.
Er wu ß te nicht, wonach er suchte, also begann er in der K ü che und ö ffnete Schr ä nke und Schubladen. Er fand eine Schachtel Cornflakes, eine Dose Kaffee und eine fast leere Flasche Early Times. In einem anderen Schrank war eine unge ö ffnete Flasche s üß en mexikanischen Rums, in der sich ein St ü ck Zuckerrohr befand. In den Schubladen lagen Kochutensilien, Besteck und Streichholzheftchen von Bars in Hollywood wie Ports und Bullet.
Das Gefrierfach war bis auf zwei Eisbeh ä lter leer. Im K ü hlschrank darunter stand im
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