Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
nahm das, was darunter lag.
Als das Mädchen an der Kasse das Buch aufschlug, um nach dem Preis zu sehen, öffnete sich eine Seite mit einem Schwarzweißfoto, das eine Frau und einen Mann bei Fellatio zeigte. Das Gesicht des Mädchens wurde rot, wenn auch nicht so knallrot wie Bosch’.
»Entschuldigung«, war alles, was er herausbrachte.
»Es ist okay. Ich habe es schon mal gesehen. – Ich meine, das Buch.«
»Ja?«
»Unterrichten Sie das im nächsten Semester?«
Bosch begriff, daß er für einen Studenten zu alt aussah und daß der einzige Grund für seinen Kauf nur sein konnte, daß er Dozent war. Wenn er erklären würde, daß er sich als Polizist dafür interessierte, würde es unglaubhaft klingen und mehr Aufmerksamkeit erregen, als ihm lieb war.
»Ja«, log er.
»Wirklich, wie heißt der Kurs? Vielleicht belege ich ihn.«
»Hm, ich habe mir noch keinen Titel überlegt. Ich …«
»Wie heißen Sie? Ich werde es im Vorlesungsverzeichnis nachsehen.«
»Oh … Locke. Dr. John Locke, Psychologie.«
»Ach, Sie haben das Buch geschrieben. Ich habe schon von Ihnen gehört. Ich werde auf die Klasse achten. Danke und einen schönen Tag.«
Sie gab ihm sein Wechselgeld. Er dankte ihr und ging mit dem Buch – in einer Tüte verpackt hinaus.
25
Bosch war kurz nach vier wieder im Bundesgericht. Während sie darauf warteten, daß Richter Keyes erschien und die Jury fürs Wochenende entließ, flüsterte Belk ihm zu, daß er am Nachmittag Chandlers Büro angerufen und der Klägerpartei fünfzig Riesen als Vergleich angeboten hatte.
»Sie hat Ihnen bestimmt gesagt, Sie könnten es sich irgendwo hinstecken.«
»Tatsächlich hat sie sich nicht so höflich ausgedrückt.«
Bosch lächelte und sah zu Chandler hinüber. Sie flüsterte Churchs Frau etwas zu, aber sie mußte seinen Blick gespürt haben. Eine halbe Minute lang lieferten sie sich einen pubertären Kampf, wer zuerst weggucken würde, ohne daß einer von ihnen aufgab, bis sich schließlich die Tür zu den Räumen des Richters öffnete und Keyes herauskam, um seinen Platz einzunehmen.
Er ließ durch den Gerichtsdiener die Jury hereinkommen und fragte sie, ob es irgend etwas zu besprechen gäbe. Als das nicht der Fall war, instruierte er die Geschworenen, keine Zeitungsartikel über den Fall zu lesen und die Lokalnachrichten im Fernsehen nicht anzuschauen. Dann wies er die Jury und die anderen Beteiligten an, Montag morgen um 9.30 Uhr zu erscheinen, wenn die Beratungen fortgesetzt würden.
Bosch trat direkt hinter Chandler auf die Rolltreppe, um nach unten zum Ausgang zu fahren. Sie stand zwei Stufen über Deborah Church.
»Frau Anwältin«, sagte er so leise, daß es die Witwe nicht hören konnte. Chandler drehte sich auf der Stufe um und hielt sich an dem schwarzen Band fest.
»Die Jury hat mit den Beratungen angefangen. Es gibt nichts, was den Prozeß noch beeinflussen könnte«, sagte er. »Selbst wenn Norman Church unten stehen würde, könnten wir es nicht den Geschworenen mitteilen. Warum geben Sie mir also nicht das Schreiben? Der Fall hier ist abgeschlossen, aber es läuft immer noch eine Fahndung.«
Chandler erwiderte nichts, während sie hinunterfuhren. In der Eingangshalle sagte sie jedoch zu Deborah Church, sie solle schon einmal nach draußen vorausgehen, sie käme gleich nach. Dann drehte sie sich zu Bosch um.
»Noch einmal, ich streite ab, daß es ein Schreiben gibt. Okay?«
Bosch lächelte.
»Das ist doch inzwischen abgehakt. Sie haben sich gestern verplappert. Sie sagten …«
»Es ist mir egal, was ich gesagt habe oder Sie. Wenn der Typ mir einen Brief geschickt hätte, wäre es nur eine Kopie von dem, den Sie haben. Er würde sicherlich nicht seine Zeit damit verschwenden, mir einen neuen zu schreiben.«
»Ich weiß es zu schätzen, daß Sie mir wenigstens das sagen. Aber selbst eine Kopie wäre hilfreich. Es könnte Fingerabdrücke geben. Man könnte anhand des Papiers feststellen, wo es kopiert wurde.«
»Detective Bosch, wie oft haben Sie auf den anderen Briefen Fingerabdrücke sichergestellt?«
Bosch antwortete nicht.
»Das dachte ich mir«, sagte sie. »Schönes Wochenende.«
Sie drehte sich um und stieß die Ausgangstür auf. Bosch wartete ein paar Sekunden, steckte sich eine Zigarette in den Mund und ging auch hinaus.
Sheehan und Opelt saßen mit Rollenberger im Konferenzzimmer und statteten ihm Bericht ab. Edgar saß dabei und hörte zu. Bosch bemerkte, daß ein Foto von Mora vor ihm auf dem Tisch lag.
Es
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