Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Armaturen als im ersten Stock.
Als er die letzte Tür öffnete, sah er ein Schlafzimmer, in dessen Mitte ein Bett mit vier Eckpfosten stand. Die Bettdecke war rosa, und es schien das Zimmer einer Frau zu sein. Es lag am Parfum, stellte Bosch fest. Trotzdem machte der Raum nicht den Eindruck, als ob hier jemand lebte. Der Raum schien eher auf die Rückkehr seiner Bewohnerin zu warten. Bosch fragte sich, ob Mora eine Tochter hatte, die irgendwo aufs College ging, oder ob es der Raum seiner Ex-Frau gewesen war, bevor sie endgültig die Ehe beendet hatte und gegangen war?
Auf einem Rollwagen in der Ecke standen ein Fernseher und ein Videorecorder. Er ging hinüber und öffnete die Schublade unter dem Videogerät, aber sie war leer, mit Ausnahme eines runden Metallstücks von der Größe eines Hockeypucks. Bosch nahm es in die Hand und sah es an, konnte aber nicht feststellen, was es war. Vielleicht hatte es etwas mit den Hanteln im ersten Stock zu tun. Er legte es zurück und schloß die Schublade.
In der obersten Schublade der weißen Kommode, die er öffnete, fand er Damenunterwäsche. Die zweite Schublade enthielt eine Palette mit verschiedenen Farben und Pinseln für Augen-Make-up, außerdem eine runde Plastikdose mit beigem Gesichtspuder. Die Make-up-Behälter waren für den Hausgebrauch, sie waren zu groß, um sie in der Handtasche mitzunehmen, und konnten nicht von den Opfern des Jüngers stammen. Sie gehörten der Bewohnerin dieses Zimmers.
Die drei unteren Schubläden waren vollständig leer. Er betrachtete sich selbst im Spiegel über der Kommode und stellte fest, daß er wieder schwitzte. Er war sich bewußt, daß er zuviel Zeit brauchte. Seine Uhr zeigte ihm, daß inzwischen sechzig Minuten vergangen waren.
Bosch öffnete den Wandschrank und sprang vor Schreck im nächsten Moment zurück. Er ging neben der Tür in Deckung und zog seine Waffe.
»Ray! Bist du das?«
Niemand antwortete. Er merkte, daß er gegen den Lichtschalter des weiträumigen, begehbaren Wandschranks lehnte, und schaltete das Licht ein. In der Hocke trat er in die Türöffnung und richtete seine Waffe auf den Mann, den er gesehen hatte, als er die Tür öffnete.
Schnell griff er um den Türrahmen und machte das Licht aus. Auf der Ablage über der Kleiderstange stand ein Styroporball, über den eine Perücke mit langen, schwarzen Haaren gestülpt war. Bosch atmete tief durch und ging in den Wandschrank hinein. Er musterte die Perücke, ohne sie zu berühren. Wie paßte das ins Puzzle? Er wandte sich nach rechts und sah mehrere Teile hauchdünner Unterwäsche und ein paar dünne Seidenkleider auf Bügeln. Auf dem Boden stand mit den Schuhspitzen zur Wand ein Paar roter hochhackiger Pumps.
Hinter einigen Kleidern, die noch in der Plastikverpackung von der Reinigung hingen, stand ein Kamerastativ.
Sein Adrenalinausstoß verstärkte sich. Er sah die Kartons auf dem Regal über der Kleiderstange durch. Einer war mit japanischen Schriftzeichen versehen. Er zog ihn vorsichtig herunter – er war unerwartet schwer –, öffnete ihn und fand eine Videokamera und einen Recorder.
Die Kamera war groß. Bosch sah ihr an, daß sie nicht in einem Kaufhaus gekauft worden war. Sie ähnelte eher den Geräten, wie sie von Fernsehnachrichtenteams benutzt wurden. Die Kamera hatte einen Scheinwerfer, und die große Batterie ließ sich herausnehmen. Verbunden war sie mit dem Recorder, der einen Kontrollbildschirm und Mischregler hatte, über ein drei Meter langes Koaxialkabel.
Es war merkwürdig, daß Mora ein so teures Gerät besaß. Er wußte jedoch nicht, was es zu bedeuten hatte. Vielleicht hatte er es bei einem Pornofilmer beschlagnahmt und nicht in der Asservatenkammer abgegeben. Er drückte auf die Ausgabetaste des Recorders, aber es kam keine Kassette zum Vorschein. Er packte die Anlage wieder ein und stellte sie ins Regal zurück und überlegte immer noch, warum jemand mit einer solchen Kamera nur leere Bänder hatte. Während er sich noch einmal schnell im Wandschrank umsah, begriff er, daß die Videokassetten, die er bis jetzt entdeckt hatte, eventuell erst vor kurzem gelöscht worden waren. Wenn das der Fall war, hatte Mora vielleicht bemerkt, daß er beschattet wurde.
Er schaute auf die Uhr. Siebzig Minuten. Er ging bis an die äußerste Grenze.
Als er die Wandschranktür schloß und sich umdrehte, sah er sich im Spiegel über der Kommode. Dann wandte er sich zur Tür, um zu gehen. In dem Moment fielen ihm die Spotlights auf einer
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