Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Lichtschiene über der Tür ins Auge. Es waren fünf, und er mußte sie nicht einschalten, um zu wissen, daß sie alle aufs Bett gerichtet waren.
Einen Moment lang schaute er aufs Bett und begann zu begreifen, was er hier vor sich hatte. Er schaute noch einmal auf die Uhr, obwohl er schon wußte, daß es Zeit war, und ging zur Tür.
Bevor er sie erreichte, sah er sich zum Fernseher und Videorecorder um und merkte, daß er etwas vergessen hatte. Er kniete sich schnell hin und schaltete die Videoanlage ein. Er drückte auf die Ausgabetaste, und eine Kassette fuhr heraus. Nachdem er sie wieder hineingeschoben hatte, betätigte er die Rücklauftaste und stellte den Fernseher an. Dann holte er den Rover aus der Tasche.
»Eins, wie läuft’s?«
»Film zu Ende. Ich halte nach ihm Ausschau.«
Das konnte nicht stimmen, wußte Bosch. Kein Spielfilm war so kurz. Und im Dome gab es nur ein Kino, nur ein Film wurde gezeigt. Also mußte Mora hineingegangen sein, als die Vorstellung schon begonnen hatte. Wenn er hineingegangen war. Ein Adrenalinstoß läutete höchste Alarmstufe ein.
»Bist du sicher, Eins? Er ist noch nicht einmal eine Stunde drinnen?«
»Wir gehen rein.«
Man konnte die Panik in Sheehans Stimme hören. Dann begriff Bosch. Wir gehen rein. Opelt war Mora nicht ins Kino gefolgt. Sie hatten Rollenbergers Befehl bestätigt, aber nicht befolgt. Sie konnten nicht. Mora hatte Sheehan und Opelt gestern beim Burrito-Stand gesehen. Sie konnten unmöglich in den dunklen Saal gehen und nach Mora suchen. Das Risiko war zu groß. Wenn der Cop vom Sittendezernat sie entdeckt hätte, würde er Bescheid wissen. Sheehan hatte Rollenberger sein »Roger« gefunkt, weil er ihm sonst hätte gestehen müssen, daß sie am vorigen Tage Mist gebaut hatten.
Der Rücklauf klickte ein. Bosch saß regungslos da, seine Finger vor den Bedienungstasten. Er wußte, daß ihre Operation aufgeflogen war. Mora war Cop, er hatte seine Beschatter bemerkt. Der Kinobesuch war eine List gewesen.
Er drückte auf die Abspieltaste.
Dieses Band war nicht gelöscht worden. Die Bildqualität war besser als die in der Videokabine von X Marks the Spot. Das Video war genauso gut produziert wie ein Porno in Spielfilmlänge. Auf dem Bildschirm war das Bett mit den vier Eckpfosten zu sehen, auf dem zwei Männer Geschlechtsverkehr mit einer Frau hatten. Bosch schaute einen Moment zu und drückte dann auf die Schnellspieltaste. Das Bild blieb weiterhin sichtbar, und die Akteure bewegten sich so überdreht, daß es fast komisch war. Bosch sah, wie sich die Stellungen und Paarungen änderten. Jede mögliche Kombination in Hochgeschwindigkeit. Schließlich ging er zur normalen Geschwindigkeit zurück und schaute sich die Mitwirkenden genauer an.
Die Frau paßte nicht ins Opferprofil des Nachahmungstäters. Sie trug die schwarze Perücke. Sie war gertenschlank und jung. Tatsächlich war es keine Frau, wenigstens nicht dem Gesetz nach. Bosch bezweifelte, daß sie älter als sechzehn war. Einer ihrer Partner war ebenfalls jung, vielleicht genauso alt wie sie. Bosch war sich nicht sicher. Sicher war er aber, daß der Dritte Ray Mora war. Sein Gesicht war abgewandt, aber Bosch erkannte ihn. Und er sah das Goldmedaillon mit dem Heiligen Geist, das auf seiner Brust auf und ab sprang. Er schaltete das Video aus.
»Das Band habe ich vergessen, nicht wahr?«
Immer noch auf den Knien vor dem Fernseher, drehte sich Bosch um. Mora stand da und richtete eine Pistole auf sein Gesicht.
»Hallo, Ray.«
»Danke, daß du mich darauf hingewiesen hast.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Hör zu, Ray, warum legst du nicht …«
»Schau mich nicht an.«
»Was?«
»Du sollst mich nicht anschauen! Dreh dich zum Fernseher um.«
Bosch gehorchte und schaute auf den leeren Bildschirm.
»Du bist Linkshänder, nicht? Nimm deinen Revolver mit der rechten Hand und rutsch ihn über den Boden hierher.«
Bosch führte vorsichtig die Anweisungen aus. Er glaubte zu hören, wie Mora die Waffe vom Boden aufhob.
»Ihr Arschlöcher glaubt, ich bin der Nachahmungstäter.«
»Paß auf, ich werde dich nicht anlügen, Ray. Wir haben dich überprüft, das ist alles … Ich weiß jetzt, daß wir uns geirrt haben. Du …«
»Die koscheren Burrito-Jungs. Jemand sollte ihnen mal beibringen, wie man eine Verdachtsperson observiert. Sie wissen einen Scheiß … Ich hab’s nicht gleich gecheckt, aber ich wußte, irgendwas war im Busch, als ich sie sah.«
»Also haben wir uns über dich geirrt,
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