Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Ray, nicht wahr?«
»Mußt du extra fragen, Bosch? Nach dem, was du gerade gesehen hast? Wer hatte die Idee, mich zu überprüfen? Eyman? Leiby?«
Eyman und Leiby waren die Commander des Sittendezernats.
»Nein, ich. Es war meine Idee.«
Dem Geständnis folgte ein langer Moment der Stille.
»Dann sollte ich vielleicht gleich hier deinen Kopf wegpusten. Ich habe hier das Recht. Stimmt’s?«
»Hör zu, Ray.«
»Nicht umdrehen!«
Bosch drehte sich wieder zurück zum Fernseher.
»Wenn du’s tust, Ray, ändert sich dein Leben für immer. Das weißt du.«
»Mein Leben hat sich in dem Moment geändert, als du hier eingebrochen bist. Warum nicht den nächsten logischen Schritt tun? Dich umlegen und verschwinden.«
»Weil du Cop bist, Ray.«
»Bin ich das? Werde ich das weiter sein, wenn ich dich gehen lasse. Willst du mir etwa auf Knien versprechen, daß du alles für mich in Ordnung bringen wirst?«
»Ray, ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Die Kids auf dem Video sind minderjährig. Aber ich weiß davon nur aufgrund einer illegalen Hausdurchsuchung. Wenn du die Waffe wegsteckst, können wir sicher eine Lösung finden.«
»Wirklich, Harry? Kann alles so wie vorher sein. Meine Dienstmarke ist alles, was ich habe. Ich kann nicht …«
»Ray. Ich …«
»Halt’s Maul! Halt einfach dein Maul! Ich versuche nachzudenken.«
Moras Wut überschüttete ihn wie ein Regenguß.
Bosch wußte keine Antwort. Seine Gedanken überschlugen sich, suchten nach dem nächsten Satz, dem nächsten Zug, als Sheehans Stimme über Funk kam. Harry zuckte zusammen.
»Er ist uns entwischt. Er ist nicht im Kino.«
Sheehans Stimme schien sich fast zu überschlagen. Bosch und Mora hörten schweigend zu.
»Was soll das heißen, Team Eins?« war Rollenberger zu hören.
»Wer ist das?« fragte Mora.
»Rollenberger, RM«, antwortete Bosch.
Sheehans Stimme meldete sich: »Der Film war vor zehn Minuten zu Ende. Die Zuschauer kamen heraus, er jedoch nicht. Ich bin rein, aber er ist verschwunden. Sein Auto steht noch hier, aber er ist weg.«
»Ich dachte, einer von euch war drinnen«, keuchte Rollenberger, auch ihm schien Panik die Kehle zuzuschnüren.
»Haben wir ja auch getan, aber wir haben ihn verloren«, sagte Sheehan.
»Lügner«, sagte Mora. Er schwieg lange, bevor er fortfuhr: »Jetzt werden sie wahrscheinlich alle Hotels nach mir abklappern, weil ich für sie der Killer bin.«
»Ja«, sagte Bosch, »aber sie wissen, daß ich hier bin, Ray. Ich sollte mich melden.«
Wie auf Stichwort ertönte Sheehans Stimme auf dem Rover.
»Team Sechs?«
»Das ist Sheehan, Ray. Ich bin Sechs.«
»Melde dich. Sei vorsichtig, Harry.«
Bosch zog langsam mit der rechten Hand das Funkgerät aus der Tasche und legte es an den Mund. Er drückte auf die Sendetaste.
»Eins, habt ihr ihn gefunden?«
»Negativ. Über alle Berge. Was gibt’s im Fernsehen?«
»Nichts. Es läuft heute abend nichts Interessantes.«
»Dann solltest du aus dem Haus gehen und uns helfen.«
»Schon auf dem Weg«, sagte Bosch schnell. »Wo seid ihr?«
»Bo … öh, Team Sechs, hier Team Leiter, Sie müssen rauskommen, wir brauchen Sie. Wir setzen die gesamte Fahndungsgruppe ein, um den Verdächtigen zu finden. Alle Kräfte treffen sich auf dem Parkplatz des Domes.«
»Bin in zehn Minuten da. Ende.«
Er senkte den Arm wieder.
»Eine ganze Fahndungsgruppe, was?« fragte Mora.
Bosch schaute auf den Boden und nickte.
»Hör zu, Ray, das war alles Code. Sie wissen, daß ich in deinem Haus bin. Wenn ich in zehn Minuten nicht am Dome bin, werden sie hierher kommen. Was willst du tun?«
»Ich weiß nicht … Aber ich denke, mir bleiben fünfzehn Minuten, das zu überlegen. Nicht wahr?«
»Klar, Ray. Laß dir Zeit, mach keinen Fehler.«
»Dafür ist es zu spät«, sagte er fast wehmütig. Dann setzte er hinzu: »Paß auf, nimm mal das Band aus der Maschine.«
Bosch ließ die Kassette herauskommen und hielt sie dann über die Schulter.
»Nein, nein, ich will, daß du das für mich tust, Harry. Öffne die untere Schublade und hol den Magneten raus.«
Das war der Hockeypuck in Wirklichkeit. Bosch legte die Kassette neben den Fernseher oben auf den Rollwagen und griff nach dem Magneten. Er fühlte, wie schwer er war, und fragte sich, ob er eine Chance hätte, wenn er sich umdrehen und damit nach Mora werfen würde, bevor dieser schießen konnte.
»Du wärst tot, bevor du es versuchen könntest«, sagte Mora, der seine Gedanken gelesen hatte. »Du weißt, was du
Weitere Kostenlose Bücher