Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Bewegung sah, war er überzeugt, daß die Frau, die sich Magna Cum Loudly nannte, die Beton-Blondine war. Sie lag auf einer Couch auf dem Rücken und biß in einen ihrer Finger, während ein Mann zwischen ihren Beinen kniete und sein Becken rhythmisch in ihres stieß.
Zu wissen, daß diese Frau tot, gewalttätig umgebracht worden war und zu beobachten, wie sie sich hier einer anderen Form von Gewalt unterwarf, berührte ihn auf eine Weise, die er wohl selbst nicht ganz verstand. Gefühle von Schuld und Trauer regten sich in ihm, während er zuschaute. Wie die meisten Cops hatte er auch sein Gastspiel bei der Sitte hinter sich. Er hatte auch einige der Filme gesehen, die die zwei anderen Pornodarstellerinnen gemacht hatten, die vom Puppenmacher ermordet worden waren. Aber dies war das erste Mal, daß er sich dermaßen unwohl fühlte.
Auf dem Bildschirm nahm die Schauspielerin ihren Finger aus dem Mund und fing an, laut zu stöhnen. Sie wurde ihrem Namen gerecht. Bosch drehte die Lautstärke herunter, aber er konnte sie immer noch hören, ihr Stöhnen verwandelte sich in Schreien, das von den anderen Kabinen herüberdrang. Andere Männer sahen das gleiche Video. Der Gedanke, daß andere Männer das Video aus anderen Gründen anschauten, ekelte ihn an.
Der Vorhang hinter ihm raschelte, und er hörte, wie jemand hinter ihm in die Zelle trat. Gleichzeitig fühlte er eine Hand, die ihm zwischen die Beine faßte. Er griff in seine Jacke nach dem Revolver und drehte sich um. Es war die Geldwechslerin.
»Was kann ich für dich tun, Darling?« säuselte sie.
Er stieß sie von sich.
»Wie wär’s mit Abhauen?«
»Komm, Süßer, warum willst du’s dir auf Video ansehen, wenn du’s selbst tun kannst? Zwanzig Dollar. Mehr kann ich nicht runtergehen. Ich muß es mit der Geschäftsführung teilen.«
Sie preßte sich an ihn, und Bosch wußte nicht, ob ihr Atem oder seiner nach Zigaretten stank. Ihre Brüste waren hart, und sie preßte sie gegen seine Brust. Plötzlich erstarrte sie. Sie hatte seinen Revolver gefühlt. Für einen kurzen Moment sahen sie sich gegenseitig in die Augen.
»Du hast’s erfaßt«, sagte Bosch. »Wenn du nicht eine Nacht im Käfig verbringen willst, geh raus.«
»Kein Problem, Lieutenant«, sagte sie.
Sie schob den Vorhang beiseite und war weg. In dem Moment schaltete das Bild wieder auf die Programmliste um. Seine zwei Dollar waren verbraucht.
Beim Hinausgehen hörte er Magna Cum Loudly in falscher Ekstase aus den anderen Kabinen schreien.
8
Unterwegs auf der Fahrt ins nächste Tal versuchte er sich dieses Leben vorzustellen. Er fragte sich, welche Hoffnungen sie noch gehegt und wie eine Kerze vor dem Regen geschützt hatte. Auch als sie dort auf dem Rücken lag, ihr abwesender Blick nach innen auf die Fremde in sich gerichtet. Hoffnung war wahrscheinlich das einzige, was ihr geblieben war. Hoffnung, wußte Bosch, ließ das Herz schlagen. Ohne Hoffnung gab es nur Finsternis.
Er überlegte, wo sich die Lebenspfade der beiden – Täter und Opfer – gekreuzt hatten. Vielleicht waren Lust und Mordgier durch den gleichen Streifen erregt worden, den er gerade gesehen hatte. Vielleicht hatte der Killer das Video ausgeliehen, für das er gerade fünfzig Dollar bezahlt hatte. Könnte es Church gewesen sein? Oder gab es noch jemanden dort draußen? Die Schachtel fiel ihm ein, und er nahm die nächste Abfahrt, Van Nuys Boulevard in Pacoima.
Er fuhr an den Straßenrand und holte sie aus der braunen Tüte. Nachdem er das Licht im Auto angeschaltet hatte, studierte er die Schachtel sorgfältig und las jedes Wort. Es gab jedoch kein Copyright-Datum, das ihm verraten hätte, wann das Video produziert worden war. Ob es vor oder nach Churchs Tod gewesen war.
Er fuhr wieder auf den Golden State Freeway, der ihn ins Santa Ciarita Valley brachte. Dort nahm er die Abfahrt an der Bouquet Canyon Road und steuerte den Wagen durch die verschlungenen Nebenstraßen, vorbei an endlosen Reihen kalifornischer Standardhäuser. In der Del Prado Street parkte er vor dem Haus mit dem Verkaufsschild von Ritenbaugh Realty auf dem Rasen.
Sylvia versuchte schon seit einem Jahr, das Haus zu verkaufen, bisher ohne Glück. Wenn er daran dachte, war Bosch erleichtert. So mußte er nicht zu einer Entscheidung kommen, was sie dann beide tun sollten.
Sylvia öffnete die Tür.
»Hey.«
»Hey.«
»Was hast du da?«
»Ach, es hat mit der Arbeit zu tun. Ich muß später ein paar Anrufe machen. Hast du gegessen?«
Er beugte sich
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