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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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kennengelernt habe. Er erzählte mir, daß es dort vier Serienmörder – eingeschlossen Kraft und Bonin – gibt, die auf ihre Hinrichtung warten. Und die vier spielen jeden Tag Karten. Bridge. Am Tisch sitzen da neunundfünfzig Verurteilungen wegen Mordes. Und sie spielen Bridge. Egal, das Interessante an der Sache ist, daß Krafts und Bonins Gedankengänge so ähnlich sind, daß sie als Team fast nie geschlagen werden.«
    Bosch begann die Karte wieder zusammenzufalten. Ohne aufzusehen, fragte er: »Töteten Kraft und Bonin ihre Opfer auf die gleiche Weise? Auf exakt die gleiche Weise?«
    »Nicht exakt gleich. Aber es könnte so etwas geben, will ich damit sagen. Aber der Nachahmungstäter in diesem Fall ist schlauer. Er wußte genau, was er tun mußte, um die Polizei in die andere Richtung zu schicken und alles Church anzuhängen. Als Church dann tot war und ihm keine Tarnung mehr bot, ist er sozusagen in den Untergrund gegangen.«
    Bosch schaute auf, und ein Gedanke durchzuckte ihn, der alles plötzlich in einem neuen Licht zeigte. Es war wie der Anfangsstoß beim Poolbillard: Die Farben explodierten in alle Richtungen. Aber er sagte nichts. Es war zu gefährlich, diesen Gedanken auszusprechen. Statt dessen stellte er Locke eine Frage.
    »Aber selbst als er in den Untergrund ging, führte er die Methode des Puppenmachers fort«, sagte Bosch. »Warum, wo es doch niemand sehen würde? Erinnern Sie sich, wir glaubten, daß der Puppenmacher die geschminkten Leichen an öffentlichen Orten zurückließ, um ein erotisches Programm zu inszenieren. Um sich aufzugeilen. Aber warum hat der zweite Mörder ihn nachgeahmt, wenn die Leiche nie gefunden werden sollte.«
    Locke stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und dachte einen Moment nach. Bosch glaubte ein Geräusch von der Terrasse zu hören. Er schaute durch die Fenstertüren nach draußen, konnte aber nur den dunklen Hang sehen, der hinter dem beleuchteten Swimmingpool steil anstieg. Die nierenförmige Oberfläche war jetzt ruhig. Er sah auf seine Uhr. Es war Mitternacht.
    »Das ist eine gute Frage«, sagte Locke. »Ich weiß keine Antwort darauf. Vielleicht wußte der Nachahmer, daß die Leiche irgendwann entdeckt werden und daß er sie eventuell selbst einmal ans Licht bringen würde. Wir müssen wahrscheinlich davon ausgehen, daß es sein Jünger war, der Ihnen und der Zeitung die Briefe vor vier Jahren schickte. Damit haben wir den exhibitionistischen Teil seines Programms. Church hatte anscheinend nie das Bedürfnis, seine Jäger zu piesacken.«
    »Dem Jünger machte es Spaß, uns in den Hintern zu kneifen?«
    »Genau. Er hat es getan, um seinen Spaß zu haben. Er hat seine Verfolger verhöhnt, und gleichzeitig wurden seine Morde dem wahren Puppenmacher zur Last gelegt. Folgen Sie mir?«
    »Ja.«
    »Also, was ist passiert? Der wirkliche Puppenmacher, Mr. Church, wird von Ihnen getötet. Sein Jünger hat keinen Tarnungsschutz mehr. Er mordet zwar weiter, aber er vergräbt sein Opfer, verbirgt es unter dem Beton.«
    »Sie sagen, er ahmt weiterhin das ganze erotische Programm nach, einschließlich des Make-ups, aber er begräbt sie, damit niemand sie sieht?«
    »Damit es niemand erfährt. Er imitiert das Programm, weil es das war, was ihn erregte. Aber er kann es sich nicht mehr länger leisten, die Leichen offen liegenzulassen, weil dann sein Geheimnis gelüftet würde.«
    »Aber warum dann das Schreiben? Warum schickt er der Polizei diese Woche den Brief, der zu seiner Entlarvung führen kann?«
    Locke umkreiste den Tisch und überlegte.
    »Selbstvertrauen«, sagte er schließlich. »Der Nachahmungstäter ist in den letzten vier Jahren stark geworden. Er glaubt, er ist unbesiegbar. Das ist ein allgemeiner Zug im Zerfallsstadium eines Psychopathen. Das Gefühl von Selbstvertrauen und Unverwundbarkeit steigt, während der Psychopath in Wirklichkeit mehr und mehr Fehler begeht. Persönlichkeitszerfall, der dazu führt, daß er sich der Gefahr der Entdeckung aussetzt.«
    »Weil er also vier Jahre lang nicht gefaßt wurde, glaubt er jetzt, er ist so unantastbar, daß er uns wieder einen Brief schickt, um uns zu ärgern.«
    »Richtig. Aber das ist nur ein Faktor. Ein anderer ist Stolz, Urheberschaft. Dieser große Prozeß über den Puppenmacher hat begonnen, und er möchte etwas von der Aufmerksamkeit auf sich lenken. Sie müssen verstehen, er hungert nach Aufmerksamkeit für seine Taten. Schließlich war es der Nachahmungstäter, nicht Church, der früher die

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