Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton
Church, sich zu rasieren. Wenn du das gleiche Haar in beiden Kämmen findest, bestätigt das meine Theorie.«
»Ich kann dir schon jetzt etwas sagen, was bei den beiden interessant ist – Sieben und Elf.«
Bosch wartete.
»Ich habe mir alles noch mal angesehen, bevor ich in den Zeugenstand trat. Um meine Erinnerung aufzufrischen. Erinnerst du dich, daß ich gesagt habe, zwei der Opfer hatten starke Risse in der Vaginalwand? Das waren die zwei, sieben und elf.«
Bosch ließ sich das einige Augenblicke durch den Kopf gehen. Aus dem Eßzimmer hörte er Locke rufen: »Harry?«
»Bin gleich da«, rief er zurück, dann sagte er zu Amado: »Interessant.«
»Das heißt, der zweite Typ, wer es auch ist, ist brutaler als Church. Diese beiden wurden am schwersten verletzt.«
Bosch machte eine Verbindung. Er erinnerte sich an etwas in Amados gestriger Zeugenaussage, das nicht zu stimmen schien. Jetzt dämmerte es ihm.
»Die Kondome«, sagte er.
»Was ist damit?«
»Du hast ausgesagt, daß nur noch drei in der Zwölferschachtel waren.«
»Das stimmt! Neun waren aufgebraucht. Wenn du Opfer sieben und elf von der Liste abziehst, hast du neun Opfer. Es paßt, Harry. Okay, ich fange gleich morgen früh an. Gib mir drei Tage, maximal.«
Sie legten auf, und Bosch fragte sich, ob Amado heute nacht schlafen könnte.
Locke hatte sein Weinglas wieder aufgefüllt, fragte aber Bosch immer noch nicht, ob er eins wollte, als er zurückkam.
Bosch nahm ihm gegenüber am Tisch Platz.
»Ich bin bereit«, sagte Locke.
»Okay, fangen wir an.«
»Sie sagen, daß die in dieser Woche gefundene Leiche alle uns bekannten Kennzeichen des Puppenmachers trug?«
»Genau.«
»Außer daß wir jetzt eine neue Methode der Beseitigung haben. Eine private Bestattung statt einer öffentlichen Provokation wie bei den anderen. Das ist alles sehr interessant. Was noch?«
»Nun, laut einer Zeugenaussage beim Prozeß können wir Church als Täter beim elften Mord ausschließen. Auf dem Video …«
»Was für ein Video?«
»Der Zeuge, ein Freund von Church, brachte ein Videoband mit, das Church auf einer Party zeigte, als Opfer elf entführt wurde. Das Video ist glaubwürdig.«
Locke nickte und schwieg. Wenigstens schloß er nicht die Augen, dachte Bosch. Der Psychologe strich in Gedanken über seinen grau werdenden Bart am Kinn. Es war ansteckend; Bosch ahmte die Geste nach.
»Dann ist da noch Nummer sieben«, sagte Bosch.
Er berichtete Locke, was Cerrone ihm erzählt hatte. Daß der Zuhälter die Stimme wiedererkannt hatte.
»Identifizierung einer Stimme wird nicht als Beweis anerkannt. Aber nehmen wir mal an, er hat recht. Das verbindet die Beton-Blondine mit dem siebten Opfer. Das Video eliminiert Church als Täter für den elften Fall. Amado, der Typ von der Gerichtsmedizin – ich weiß nicht, ob Sie sich an ihn erinnern – sagte, sieben und elf tragen ähnliche Verletzungen. Verletzungen, die sich stark von denen der anderen unterscheiden.
Eine andere Sache, die mir gerade eingefallen ist, sind die Kosmetika. Nach Churchs Tod fand man das Make-up in seinem Apartment in der Hyperion Street. Erinnern Sie sich? Sie stimmten mit dem von neun der Opfer überein. Die zwei, für die man kein Make-up fand, waren …«
»Sieben und elf.«
»Genau. Wir haben also mehrere Verbindungen zwischen zwei der Fälle – sieben und elf. Dann gibt es noch eine schwächere Verbindung zum zwölften Fall, die Leiche in dieser Woche, die auf dem Wiedererkennen der Stimme durch den Zuhälter basiert. Die Beziehungen werden stärker, wenn wir uns das Leben der drei Frauen ansehen. Sie machten Pornos und arbeiten als Callgirls.«
»Ich sehe das Muster im Muster«, sagte Locke.
»Es kommt noch besser. Nehmen wir noch die einzige Überlebende hinzu. Auch sie war Pornodarstellerin und Callgirl.«
»Und sie beschrieb einen Angreifer, der keine Ähnlichkeit mit Church hatte.«
»Exakt. Deshalb glaube ich auch, daß es nicht Church war. Meiner Ansicht nach waren die drei plus die Überlebende Opfer eines anderen Killers. Die übrigen neun gehören zu einer anderen Gruppe, zu Church.«
Locke erhob sich und begann auf der anderen Seite des Tisches hin- und herzugehen. Mit der Hand hatte er sich ans Kinn gefaßt.
»Noch was?«
Bosch öffnete einen der Hefter und nahm die Straßenkarte heraus sowie ein Blatt, auf dem er vorher eine Reihe von Daten vermerkt hatte. Er faltete die Karte sorgfältig auf und legte sie auf den Tisch. Dann beugte er sich über
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