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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Worte des Jüngers in der Stille des Gerichtssaals vorzulesen. Nach einer Sekunde des Schweigens, als er geendet hatte, begann Chandler wieder mit ihren Fragen.
    »Er schreibt: ›aber ich bin noch im Spiel‹. Was bedeutet das?«
    »Es bedeutet, daß er sich mit allen Morden schmücken will. Er möchte beachtet werden.«
    »Könnte der Grund dafür sein, daß er alle Morde verübte?«
    »Nein, Norman Church ist für neun der Morde verantwortlich. Die Beweise, die in seiner Wohnung gefunden wurden, stellen eine nicht widerlegbare Verbindung zwischen ihm und den Opfern her. Daran besteht kein Zweifel.«
    »Wer fand diese Beweisstücke?«
    »Ich.«
    »Gibt es dann nicht viele Zweifel, Detective Bosch? Ist nicht die Idee lächerlich, daß es einen zweiten Mörder mit der exakt gleichen Methode geben soll?«
    »Nein, es ist nicht lächerlich. Es ist die Realität. Ich habe nicht den falschen Mann getötet.«
    »Ist nicht all das Gerede von einem Nachahmungstäter in Wahrheit nur ein groß angelegtes Manöver, um zu vertuschen, daß Sie gerade das getan haben, den Falschen getötet. Einen unschuldigen, unbewaffneten Mann, der nichts Schlimmeres getan hat, als sich mit der unausgesprochenen Einwilligung seiner Frau der Dienste einer Prostituierten zu bedienen.«
    »Nein, das ist es nicht. Norman Church ermordete …«
    »Danke, Mr. Bosch.«
    »… viele Frauen. Er war ein Ungeheuer.«
    »Wie der Mann, der Ihre Mutter tötete?«
    Unbewußt blickte er zum Publikum, sah Sylvia und schaute weg. Er versuchte sich wieder zu fassen und ruhiger zu atmen. Chandler sollte es nicht gelingen, ihn aus der Fassung zu bringen.
    »Ich würde sagen, ja. Sie waren sich wahrscheinlich ähnlich. Sie waren beide Ungeheuer.«
    »Deshalb haben Sie ihn getötet, war es nicht so? Das Toupet lag gar nicht unterm Kissen. Sie töteten ihn kaltblütig, weil Sie in ihm den Mörder Ihrer Mutter sahen.«
    »Nein, Sie irren sich. Glauben Sie etwa, wenn ich eine Geschichte erfinden würde, fiele mir nichts Besseres ein als ein Toupet? Dort war eine Kochnische mit Messern in der Schublade. Warum würde ich ein Toupet …«
    »Halt, halt, halt«, schnauzte der Richter. »Wir kommen hier vom rechten Pfade ab. Ms. Chandler, Sie machen Aussagen, statt Fragen zu stellen. Und, Detective Bosch, Sie taten das gleiche, anstatt zu antworten.«
    »Ja, Euer Ehren«, sagte Chandler. »Ist es nicht wahr, Detective Bosch, daß die ganze Sache – Norman Church alle Morde in die Schuhe zu schieben – ein großangelegtes Vertuschungsmanöver war, das jetzt mit der Entdeckung der Frauenleiche im Beton auffliegt?«
    »Nein, das ist nicht wahr. Nichts fliegt auf. Church war der Mörder und er verdiente sein Ende.«
    Bosch zuckte innerlich zusammen und schloß die Augen, sowie die Worte aus seinem Mund waren. Sie hatte es geschafft. Er öffnete die Augen und sah die Anwältin an. Ihre Augen schienen flach und leer zu sein, ausdruckslos.
    Mit sanfter Stimme sagte sie: »Sie sagen, er verdiente sein Ende. Wann wurden Sie zum Richter, Geschworenen und Henker ernannt?«
    Bosch trank noch einen Schluck aus dem Becher.
    »Ich meinte, es war sein Zug. Was auch immer mit ihm passierte, er war letztendlich dafür verantwortlich. Wenn man so reagiert, muß man auch die Folgen akzeptieren.«
    »Verdiente Rodney King auch, was man ihm antat?«
    »Einspruch!« rief Belk.
    »Verdiente André Galton, was man ihm antat?«
    »Einspruch!«
    »Stattgegeben, Stattgegeben«, sagte der Richter. »Nun passen Sie mal auf, Ms. Chandler, Sie …«
    »Die Fälle sind nicht gleich.«
    »Detective Bosch, ich habe den Einsprüchen stattgegeben. Das heißt, Sie antworten nicht.«
    »Keine weiteren Fragen zu diesem Zeitpunkt, Euer Ehren«, sagte Chandler.
    Bosch beobachtete, wie sie zum Klägertisch ging und ihren Block auf die Holzplatte fallen ließ. In ihrem Nacken war wieder die lose Strähne. Er war sich jetzt sicher, daß selbst dieses Detail Teil ihrer sorgfältig geplanten und orchestrierten Vorstellung während des Prozesses war. Als sie sich hingesetzt hatte, beugte sich Deborah Church zu ihr und drückte ihr den Arm. Von Chandler kam weder ein Lächeln noch eine Geste als Antwort.
    Belk tat, was er konnte, um den Schaden mit Nachfragen zu beheben, und fragte detailliert über den fürchterlichen Charakter der Verbrechen, über den Schuß und über die Ermittlungen zu Church. Aber niemand schien zuzuhören. Der Gerichtssaal war durch Chandlers Kreuzverhör in eine andere Dimension

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