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Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton

Titel: Harry Bosch 03 - Die Frau im Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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beobachtete sie, als Bremmer auf ihn zutrat.
    »Willst du darüber sprechen? Das war eine verdammt interessante Zeugenaussage dort drinnen.«
    »Ich habe im Zeugenstand alles gesagt, was ich sagen will.«
    »Nichts Zusätzliches?«
    »Nee.«
    »Was hältst du von ihrer Theorie? Daß der zweite Mörder in Wahrheit der erste ist und daß Church niemanden umgebracht hat?«
    »Was erwartest du von ihr? Das ist doch Quatsch. Vergiß eins nicht, was ich im Gerichtssaal gesagt habe, war unter Eid – was sie hier draußen erklärt, nicht. Es ist Quatsch, Bremmer. Fall nicht darauf rein.«
    »Du mußt mich verstehen, Harry. Ich muß darüber schreiben, weißt du. Es ist mein Job. Nimm’s mir nicht übel.«
    »Ich werde es dir nicht krumm nehmen, Bremmer. Jeder muß seine Arbeit tun. Jetzt werde ich meine tun. Okay?«
    Er ließ ihn stehen und ging zur Rolltreppe. Draußen unter der Statue steckte er sich eine Zigarette an und gab Tommy Faraway, der den Aschenkübel durchsuchte, eine andere.
    »Was geschieht, Lieutenant?« fragte der Obdachlose.
    »Gerechtigkeit geschieht.«

18
    Bosch fuhr zum Central-Revier und fand einen freien Parkplatz auf der Straße. Eine Weile saß er in seinem Wagen und beobachtete zwei Wärter vom Zellentrakt, die die Emailmalerei an der Vorderfront der bunkerartigen Revierwache abwuschen. Das Bild zeigte ein Paradies, in dem schwarze, weiße und braune Kinder miteinander spielten und freundlichen Polizisten zulächelten – ein Ort, wo Kinder noch Hoffnung hatten. Mit einer Sprühdose hatte jemand wütend darübergeschrieben: »Das ist eine verdammte Lüge!«
    Bosch fragte sich, ob es jemand aus dieser Gegend gewesen war oder ein Cop. Er rauchte zwei Zigaretten und versuchte zu vergessen, was im Gericht passiert war. Eigenartigerweise fühlte er sich erleichtert, daß jemand einige seiner Geheimnisse ans Licht gebracht hatte. Aber er hatte wenig Hoffnung, was den Ausgang des Prozesses betraf. Er begann sich allmählich damit abzufinden, daß die Jury wahrscheinlich gegen ihn entscheiden würde. Das Zerrbild der Beweisstücke und Aussagen würde sie davon überzeugen, daß er in unkorrekter und fahrlässiger Weise gehandelt hatte – wenn er auch nicht das Monster war, als das Chandler ihn hingestellt hatte. Sie würden nie wissen, was es heißt, Entscheidungen in wenigen Augenblicken treffen zu müssen.
    Es war das alte Lied, und jeder Polizist kannte es. Die Bürger wollen, daß die Polizei sie beschützt und ihnen die Pest vom Halse schafft. Aber der gleiche John Q. ist der erste, der entsetzt und entrüstet mit dem Finger auf einen Polizisten zeigt, wenn er mal näher mitbekommt, was Cops in ihrem Job tun müssen. Bosch war kein Reaktionär. Er billigte nicht, wie sich Polizisten gegenüber André Galton und Rodney King verhalten hatten. Aber er verstand dieses Vorgehen und wußte, daß sein eigenes Handeln letztendlich aus der gleichen Quelle entsprang.
    Aus politischem Opportunismus und Unvermögen hatte die Stadt die Polizei jahrelang verkümmern lassen. Sie war eine unterbesetzte und schlecht ausgerüstete, paramilitärische Organisation geworden. Der Polizeiapparat war selbst von politischen Bazillen befallen und kopflastig mit leitenden Verwaltungsposten, während die unteren Ränge so schwach besetzt waren, daß die Fronttruppen auf der Straße weder Zeit noch Lust hatten, ihre schützenden Streifenwagen zu verlassen und mit den Bürgern, denen sie dienten, in Kontakt zu kommen. Sie stiegen nur aus, um sich mit dem Abschaum der Menschheit herumzuschlagen. Die Folge davon war, daß innerhalb der Polizei eine Atmosphäre herrschte, in der jeder, der nicht Blau trug, als Abschaum angesehen und ebenso behandelt wurde. Jeder. Das Endresultat waren Fälle wie André Galton und Rodney King, waren Krawalle, die von den Fronttruppen nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden konnten. Auch Folge davon war ein Wandgemälde an einer Polizeiwache, das eine verdammte Lüge war.
    Er wies sich am Eingangsschalter mit seiner Dienstmarke aus und ging die Treppe hinauf zum Sittendezernat. An der Eingangstür zum Großraumbüro blieb er eine halbe Minute stehen und beobachtete Ray Mora an seinem Schreibtisch am anderen Ende des Raums. Mora schien einen Bericht mit der Hand zu schreiben, nicht zu tippen. Das bedeutete wahrscheinlich, daß er einen Tagesreport schrieb, was wenig Aufmerksamkeit erforderte – nur ein paar Zeilen – und wofür es sich nicht lohnte, extra aufzustehen und eine funktionierende

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