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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hatte mir das Leben gerettet. Ich schraubte den Verschluss ab und goss den Inhalt der Flasche über mein Gesicht, um das Blut und das Brennen wegzuwaschen.
    »Keine Bewegung!«
    Ich schaute von da, wo ich war, nach oben und sah einen Mann, der sich über das Geländer des Sonnendecks beugte und eine Waffe auf mich richtete. Das Mondlicht brach sich in der Dienstmarke an seiner Uniform. Endlich waren die Cops eingetroffen. Ich ließ die Flasche fallen und breitete die Arme aus.
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Ich bewege mich schon nicht.«
    Die Arme immer noch ausgebreitet, lehnte ich mich zurück. Mein Kopf kam auf dem Boden zu liegen, und ich sog in tiefen Zügen die Luft ein. Das Rauschen in meinen Ohren war immer noch da, aber inzwischen konnte ich auch mein Herz hören, dessen Schlag sich allmählich dem normalen Rhythmus des Lebens anpasste. Ich schaute in die dunkle heilige Nacht empor, zu dem Ort, an dem all jene, die auf Erden nicht erlöst werden, auf den Rest von uns warten. Noch nicht, dachte ich. Nein, noch nicht.

40
    Während der Cop oben auf dem Sonnendeck weiter seine Waffe auf mich gerichtet hielt, kletterte sein Partner durch die Falltür und kam zu mir nach unten. In einer Hand hatte er eine Taschenlampe, in der anderen eine Pistole, und dazu hatte er den wilden Blick eines Mannes, der keine Ahnung hat, in was er da hineingeraten ist.
    »Drehen Sie sich auf den Bauch und legen Sie die Hände auf den Rücken«, befahl er. Vom Adrenalin war seine Stimme hoch und gepresst.
    Ich tat, was er sagte, und dann legte er seine Taschenlampe auf den Boden, um mir Handschellen anzulegen, zum Glück nicht nach Art des FBI. Ich versuchte, ruhig mit ihm zu sprechen.
    »Nur zu Ihrer Information, ich …«
    »Ich will erst mal überhaupt nichts von Ihnen wissen.«
    »… war früher beim LAPD. In Hollywood. Ich habe erst letztes Jahr nach über fünfundzwanzig Jahren den Dienst quittiert.«
    »Umso besser. Aber sparen Sie sich das für die Detectives auf.«
    Mein Haus gehörte zur North Hollywood Division. Ich wusste, es gab für sie keinen Grund, mich zu kennen oder irgendein Interesse an mir zu haben.
    »Moment mal«, sagte der andere von oben. »Wie heißt der Kerl? Leuchte ihn mal an.«
    Der Mann auf dem Boden richtete die Taschenlampe aus dreißig Zentimetern Entfernung auf mein Gesicht. Sie blendete mich.
    »Wie heißen Sie?«
    »Harry Bosch. Ich war beim Morddezernat.«
    »Har…«
    »Ich weiß, wer er ist, Swanny. Er ist in Ordnung. Nimm die Lampe aus seinem Gesicht.«
    Swanny nahm die Lampe weg.
    »Na schön. Aber die Handschellen bleiben dran. Sollen sich die Detectives um alles – ach Herrgott!«
    Der Strahl der Taschenlampe fiel auf den gesichtslosen Toten links von mir im Gebüsch. Linus Simonson beziehungsweise das, was von ihm noch übrig war.
    »Kotz jetzt bloß nicht, Swanny«, kam die Stimme von oben. »Das ist hier ein Tatort.«
    »Leck mich, Hurwitz, ich kotze schon nicht.«
    Ich hörte ihn herumgehen. Um ihn auch sehen zu können, versuchte ich, den Kopf zu heben, aber das Gebüsch war zu hoch. Ich konnte nur lauschen. Es hörte sich an, als ging er von einem Toten zum anderen. Ich hatte mich nicht getäuscht.
    »Hey, einen Lebenden haben wir noch hier unten! Gib das gleich mal durch.«
    Das musste Banks sein, nahm ich an. Ich war froh, das zu hören. Ich hatte das Gefühl, einen Überlebenden zu brauchen, damit er meine Darstellung des Ablaufs bestätigte. Ich ging davon aus, dass Banks, nachdem er inzwischen die ganze Suppe allein auslöffeln müsste, sich auf einen Handel einlassen und, um seine Haut zu retten, alles erzählen würde.
    Ich drehte mich auf die Seite und setzte mich auf. Der Cop kniete neben Banks auf der Erde. Er sah zu mir herüber.
    »Ich habe nicht gesagt, dass Sie sich bewegen sollen.«
    »Mit dem Gesicht im Dreck konnte ich nicht richtig atmen.«
    »Rühren Sie sich bloß nicht noch mal.«
    »Hey, Swanny«, rief Hurwitz von oben. »Der Tote im Haus hat eine Dienstmarke. FBI.«
    »Wahnsinn!«
    »Allerdings, Wahnsinn.«
    Sie hatten Recht. Der Fall war der reinste Wahnsinn. Keine Stunde später wimmelte es von Menschen. LAPD. LAFD. FBI. Die Medien. Wenn ich richtig zählte, kreisten fast die ganze Nacht sechs Hubschrauber am Himmel und machten ein solches Getöse, dass ich dem immer noch in meinen Ohren rauschenden Flintenschuss den Vorzug gegeben hätte.
    Die Feuerwehr holte Banks mit einem Hubschrauber aus dem Canyon hoch. Als sie ihn verarztet hatten, rief ich die

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