Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
sich dabei eigentlich gedacht? Dass diese Typen so die Hosen voll bekämen, dass sie schnurstracks ins Parker Center rennen und sich stellen würden?«
»Roy«, sagte Rider, »ich glaube, wir …«
»Sie wollten sie provozieren, stimmt's? Sie wollten, dass sie Ihnen hinterherkommen.«
»Das ist doch vollkommen absurd«, sagte ich ruhig. »Vier gegen einen? Ich bin nur noch aus dem Grund am Leben und kann mit Ihnen reden, weil ich entdeckt habe, dass sie mir gefolgt sind, und Milton sie so lange abgelenkt hat, dass ich aus dem Haus kommen konnte.«
»Genau, das ist der springende Punkt. Sie haben die Verfolger entdeckt. Und entdeckt haben Sie sie deshalb, weil sie nach ihnen Ausschau gehalten haben, und Ausschau haben Sie nach ihnen gehalten, weil Sie es so wollten. Sie haben es vermasselt, Bosch. Wenn dieser Typ im Krankenhaus nicht mehr mit intaktem Hirn zu sich kommt, dann erfahren wir nie, was aus Marty wurde oder wo …«
Er hörte auf, bevor ihm die Stimme versagte. Er hörte zu sprechen auf, aber er hörte nicht auf, mich anzustarren.
»Ich würde vorschlagen«, sagte Rider ruhig, »wir machen erst mal eine Pause. Auf jeden Fall sollten wir aufhören, unsere Motive in Frage zu stellen und uns gegenseitig zu beschuldigen. Wir wollen doch hier alle das Gleiche.«
Lindell schüttelte langsam und mit Nachdruck den Kopf.
»Nein, Harry Bosch nicht«, sagte er ruhig, den Blick immer noch auf mich geheftet. »Ihm geht es immer nur um das, was er will. Er war immer schon Privatdetektiv, auch als er noch bei der Polizei war.«
Ich schaute von Lindell zu Rider. Sie sagte nichts, wich aber meinem Blick aus, und das sagte einiges. Es war nicht zu übersehen, dass sie ihm Recht gab.
42
Als ich nach Hause kam, wurde es bereits Tag. Es wimmelte immer noch von Polizisten und Journalisten, und die Polizei wollte mich nicht hineinlassen. Das Haus und der Canyon stellten einen wichtigen Tatort dar, und deshalb hatten sie vorläufig volle Verfügungsgewalt darüber. Man sagte mir, ich solle es in ein, zwei Tagen noch mal versuchen. Sie wollten mich nicht mal nach drinnen lassen, um mir frische Kleider oder sonst irgendwelche persönlichen Dinge zu holen. Ich war strikt persona non grata. Ich wurde aufgefordert, mich fern zu halten. Das einzige Zugeständnis, das ich mir wortreich erkämpfen konnte, war mein Auto. Zwei Polizisten in Uniform – Hurwitz und Swanny, die den kostbaren Überstundeneinsatz ergattert hatten – schafften zwischen den Polizei- und Medienfahrzeugen Platz für mich, und ich stieß mit dem Mercedes rückwärts aus dem Carport und fuhr weg.
Der Adrenalinstoß, der mit der Nahtoderfahrung vom Vorabend einhergegangen war, war längst abgeebbt. Ich war erschöpft, konnte aber nirgendwo hin. Ich fuhr ziellos den Mulholland Drive entlang, bis ich den Laurel Canyon Boulevard erreichte, wo ich rechts abbog und ins Valley hinunterfuhr.
Langsam bekam ich ein Gefühl dafür, wohin ich unterwegs war, aber ich wusste, ich war zu früh dran. Am Ventura Freeway bog ich erneut rechts ab und fuhr auf den Parkplatz neben dem Duper's. Ich fand, ich musste etwas Energie tanken, und Kaffee und Pfannkuchen waren im Augenblick genau das Richtige. Bevor ich ausstieg, holte ich das Handy heraus und machte es an. Ich rief Janis Langwiser und Sandor Szatmari an, aber keiner von beiden ging dran, weshalb ich ihnen auf Band sprach, dass das für den Vormittag geplante Treffen aufgrund von Umständen, die sich meiner Einflussnahme entzögen, abgesagt sei.
Das Display des Handy zeigte an, dass mehrere Nachrichten für mich eingegangen waren. Ich rief an, um sie abzurufen, und hörte mir die vier Nachrichten an, die Keisha Russell von der Times im Lauf des Abends für mich hinterlassen hatte. Zunächst war sie noch ganz ruhig und über mein Wohlergehen besorgt und wollte nur bei Gelegenheit mit mir reden, um sich zu erkundigen, ob mir auch wirklich nichts passiert war. Bis zum dritten Anruf hatte ihre Stimme jedoch etwas schrill Insistierendes bekommen, und beim vierten verlangte sie, ich solle mich an unsere Abmachung halten und mich bei ihr melden, sobald es in dem Fall, an dem ich arbeitete, etwas Neues gebe.
»Und jetzt gibt es eindeutig etwas Neues, Harry. Sie haben im Woodrow Wilson Drive vier Männer erledigt. Rufen Sie an, wie Sie versprochen haben.«
»Ja, ja«, brummte ich, als ich die Nachricht löschte.
Die letzte Nachricht war von Alexander Taylor, dem Erfolgsproduzenten. In seiner Stimme lag etwas
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