Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
Besitzergreifendes. Er wollte mich darauf hinweisen, dass diese Story ihm gehöre.
»Mr Bosch, Sie sind ständig im Fernsehen zu sehen. Ich gehe davon aus, dieses Blutbad gestern Abend hat etwas mit meinem Geldraub zu tun. Damals waren es vier Räuber; in den Nachrichten heißt es, auf Ihrem Grundstück wurden vier Tote gefunden. Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Angebot, das ich Ihnen gemacht habe, nach wie vor steht. Aber ich verdopple es. Hunderttausend für die Option auf die Story. Wie es dann weitergeht, wäre noch zu klären, aber darüber können wir uns unterhalten, wenn ich von Ihnen höre. Ich gebe Ihnen die Privatnummer meiner Assistentin. Ich warte auf Ihren Anruf.«
Er nannte eine Nummer, aber ich machte mir nicht die Mühe, sie aufzuschreiben. Ich dachte ganze fünf Sekunden lang über das Geld nach, dann löschte ich die Nachricht und machte das Handy aus.
Als ich in das Restaurant ging, dachte ich darüber nach, was Umstände waren, die sich meiner Einflussnahme entzogen, und was Lindell am Ende der Vernehmung in North Hollywood gesagt hatte. Ich dachte an den Kampf gegen Ungeheuer und daran, was in der Vergangenheit über mich und zu mir gesagt worden war und was ich nur wenige Abende zuvor in diesem Restaurant zu Peoples gesagt hatte. Ich fragte mich, ob sich ein leichtes Abrutschen in den Abgrund in irgendeiner Weise von dem Schwalbensprung unterschied, den Milton gemacht hatte.
Mir war klar, dass ich mir sowohl darüber als auch über die Motive für mein Vorgehen in den letzten zehn Stunden Gedanken machen müsste. Aber ich entschied rasch, dass es damit Zeit hätte. Noch galt es eine offen stehende Frage zu klären, und sobald ich meine Batterien aufgeladen hatte, würde ich das in Angriff nehmen.
Ich setzte mich an die Theke und bestellte, ohne auf die Speisekarte zu sehen, das zweite Tagesgericht. Die breithüftige Bedienung schenkte mir Kaffee ein und wollte gerade an der Durchreiche zur Küche meine Bestellung durchgeben, als sich jemand auf den Hocker neben mir setzte und sagte: »Für mich auch einen Kaffee, bitte.«
Ich erkannte die Stimme, drehte mich zur Seite und sah Keisha Russell, die lächelnd ihre Tasche zwischen uns auf den Boden stellte. Sie war mir den Hügel herunter gefolgt.
»Damit hätte ich eigentlich rechnen müssen.«
»Wenn Sie nicht wollen, dass man Ihnen folgt, Harry, brauchen Sie nur Ihre Anrufe zu beantworten.«
»Es ist gerade mal fünf Minuten her, dass ich Ihre Nachrichten erhalten habe, Keisha.«
»Na, wenigstens brauchen Sie mich jetzt nicht zurückzurufen.«
»Ich rede nicht mit Ihnen. Noch nicht.«
»Harry, Ihr Haus ist das reinste Schlachtfeld. Überall Leichen. Ist Ihnen wirklich nichts passiert?«
»Ich sitze doch hier, oder nicht? Mir fehlt nichts. Aber ich kann noch nicht mit Ihnen sprechen. Ich weiß nicht, wie das Ganze ausgehen wird, und ich werde nichts sagen, was dann morgen in der Zeitung steht und vielleicht mit der offiziellen Verlautbarung nicht übereinstimmt. Das wäre Selbstmord.«
»Sie meinen, Sie wollen mir deshalb nicht die Wahrheit sagen, weil das, was von Amts wegen verbreitet wird, möglicherweise nicht die Wahrheit ist.«
»Keisha, Sie kennen mich. Wenn es mir möglich ist, rede ich mit Ihnen. Deshalb lassen Sie mich jetzt einfach in Ruhe essen und Kaffee trinken, ja?«
»Beantworten Sie mir wenigstens eine Frage. Eigentlich ist es nicht mal eine Frage. Bestätigen Sie mir lediglich, dass das, was da oben passiert ist, mit der Sache zu tun hat, weswegen Sie mich angerufen haben. Diese Geschichte mit Marty Gessler.«
Ich schüttelte frustriert den Kopf. Mir war klar, ich würde sie nicht los, ohne ihr wenigstens etwas zu geben.
»Ob Sie es glauben oder nicht, aber das kann ich nicht bestätigen. Und das ist die Wahrheit. Aber wie wär's damit? Wenn ich Ihnen etwas gebe, was Sie weiterbringt, lassen Sie mich dann so lange in Ruhe, bis ich mit Ihnen darüber sprechen kann?«
Bevor sie antwortete, schob die Bedienung einen Teller vor mich. Ich blickte auf einen Stapel butterbestrichener Pfannkuchen mit einem Spiegelei und zwei x-förmig angeordnete Streifen Speck darauf. Dann stellte sie ein Kännchen Ahornsirup daneben. Ich griff danach und begann, alles mit Sirup zu übergießen.
»Um Gottes willen«, sagte Russell. »Wenn Sie das essen, weiß ich nicht, ob der Zeitpunkt, zu dem Sie darüber sprechen können, überhaupt noch kommt. Sie bringen sich ja selbst um, Harry.«
Ich blickte zu der Bedienung auf, die
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