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Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Harry Bosch 09 - Letzte Warnung

Titel: Harry Bosch 09 - Letzte Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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gezogen.
    Ich kannte den Weg, und sie ließ mich allein gehen. Durchs Wohnzimmer und den Flur hinunter zum letzten Zimmer auf der linken Seite. Ich trat ein und sah Lawton Cross in seinem Stuhl sitzen – dem, der zusammen mit dem Van nach der Spendenaktion der Polizeigewerkschaft angeschafft worden war. Er schaute auf dem Fernseher, der in einer Ecke von der Decke hing, CNN. Ein weiterer Bericht über die Lage im Nahen Osten.
    Seine Augen bewegten sich in meine Richtung, aber sein Gesicht nicht. Ein über seinen Augenbrauen verlaufender Riemen drückte seinen Kopf gegen das Kissen dahinter. Seinen rechten Arm verband ein Netz aus Schläuchen mit einem Beutel, der mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war und von einer an der Lehne seines Stuhls befestigten Halterung hing. Lawton Cross' Haut war sehr blass, er wog nicht mehr als fünfundfünfzig Kilo, und seine Schlüsselbeine standen hervor wie Tonscherben. Seine Lippen waren rissig und trocken, sein Haar ein ungekämmtes Nest. Sein Aussehen hatte mich schockiert, als ich nach seinem Anruf das erste Mal vorbeigekommen war. Ich versuchte, es mir nicht wieder anmerken zu lassen.
    »Hallo, Law, wie geht's?«
    Es war eine Frage, die ich nur äußerst ungern stellte, aber ich hatte das Gefühl, es ihm schuldig zu sein.
    »Den Umständen entsprechend, Harry.«
    »Mhm.«
    Seine Stimme war ein heiseres Flüstern, wie die eines College-Footballtrainers, der vierzig Jahre lang brüllend am Spielfeldrand gestanden hatte.
    »Tut mir Leid, dass ich so schnell schon wieder anrücke«, sagte ich, »aber es hat sich noch Verschiedenes ergeben.«
    »Warst du bei diesem Produzenten?«
    »Ja, gestern, gleich als Erstes. Er hat sich zwanzig Minuten für mich Zeit genommen.«
    Im Zimmer war ein leises Zischen zu hören, das mir schon bei meinem ersten Besuch vor ein paar Tagen aufgefallen war. Ich glaube, es war der Ventilator, der Luft durch die durchsichtigen Schläuche pumpte, die unter seinem Hemdkragen hervorkamen und seitlich über sein Gesicht in seine Nasenlöcher führten.
    »Irgendwas Besonderes?«
    »Er hat mir ein paar Namen genannt. Alle Personen bei Eidolon Productions, die von der Geldlieferung wussten. Bisher bin ich noch nicht dazu gekommen, sie zu überprüfen.«
    »Hast du ihn gefragt, was Eidolon bedeutet?«
    »Nein, hätte ich das tun sollen? Was ist es, ein Familienname oder was?«
    »Nein, es bedeutet Phantom. Das ist eins der Dinge, die mir wieder eingefallen sind. War einfach plötzlich wieder da, als ich über den Fall nachdachte. Ich habe ihn mal gefragt. Er sagte, es käme aus einem Gedicht. Irgendwas über ein Phantom, das im Dunkeln auf einem Thron sitzt. Wahrscheinlich denkt er, das ist er.«
    »Komisch.«
    »Ja. Übrigens, Harry, stell ruhig das Mikro ab. Damit wir auf Danny keine Rücksicht nehmen müssen.«
    Die gleiche Bitte hatte er mir bei meinem ersten Besuch gestellt. Ich ging um seinen Stuhl herum zur Kommode. Darauf stand ein kleines Plastikgerät mit einem grünen Lämpchen. Es war ein Babyphon, wie es Eltern für die Beaufsichtigung schlafender Kleinkinder benutzen. Es ermöglichte Cross, seine Frau zu rufen, wenn er auf einen anderen Sender umschalten wollte oder sonst etwas brauchte. Ich schaltete das Gerät aus, damit wir offen miteinander sprechen konnten, und stellte mich wieder vor den Stuhl.
    »Gut«, sagte Cross. »Dann mach doch auch noch die Tür zu.«
    Das tat ich. Ich wusste, was nun kam.
    »Hast du mir diesmal was mitgebracht?«, fragte Cross. »Worum ich dich gebeten habe?«
    »Ähm, ja.«
    »Gut. Dann lass uns gleich mal damit anfangen. Geh ins Bad und sieh nach, ob sie meine Flasche dort gelassen hat.«
    Auf der Platte, in die das Waschbecken eingelassen war, sah ich alle möglichen Medikamente und kleinen medizinischen Geräte. Auf einer Seifenschale stand eine offene Plastikflasche. Sie sah aus wie eins dieser Dinger, wie man sie häufig an Mountainbikes findet, nur etwas anders. Der Hals war breiter und leicht gekrümmt. Wahrscheinlich, um das Trinken zu erleichtern, dachte ich. Rasch nahm ich den Flachmann aus meiner Jackentasche und goss etwas Bushmills in die Flasche. Als ich damit ins Schlafzimmer zurückging, riss Cross entsetzt die Augen auf.
    »Nein, die doch nicht! Das ist meine Pinkelflasche!«
    »O Scheiße! So was Blödes.«
    Ich machte kehrt und ging ins Bad zurück. Als ich den Whiskey ins Waschbecken goss, brüllte Cross: »Nein, nicht!«
    Ich sah zu ihm hinaus.
    »Ich hätte ihn getrunken.«
    »Nur keine

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