Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
mir. Sie hatte die Rückseite entfernt, sodass die Kamera zu sehen war.
»Ich fand sie ein bisschen schwer für eine normale Wanduhr«, sagte sie.
Ich stand auf.
»Hör zu, Danny …«
»Du hast uns ausspioniert. Du hast mir nicht geglaubt, stimmt's?«
»Danny, das ist nicht der Grund, weswegen ich sie will. Die Männer, die gestern Abend hier …«
»Aber das ist der Grund, warum du sie ursprünglich an der Wand angebracht hast. Wo ist das Video?«
»Was?«
»Das Videoband. Wo hast du es dir angesehen?«
»Nirgendwo. Es ist eine Digitalkamera. Es ist alles in der Uhr.«
Das hätte ich nicht sagen sollen. Als ich nach der Uhr griff, hob Danny sie über ihren Kopf und warf sie auf den Betonboden. Das Glas zerbrach, und die Kamera löste sich vom Uhrengehäuse und rutschte unter den Mercedes.
»Herrgott noch mal, Danny. Die Uhr gehört nicht mir.«
»Mir ist egal, wem sie gehört. Dazu hattest du kein Recht.«
»Hör zu, Law hat mir erzählt, du würdest ihn nicht gut behandeln. Was hätte ich denn tun sollen? Mich einfach auf dein Wort verlassen?«
Ich kniete nieder und schaute unter das Auto. Die Kamera lag in Reichweite, und ich zog sie heraus. Das Gehäuse war stark verkratzt, aber über ihr Innenleben konnte ich kein Urteil abgeben. Ich nahm die Speicherkarte heraus, wie Andre Biggar es mir gezeigt hatte. Sie sah intakt aus. Ich stand auf und hielt sie hoch, damit Danny sie sehen konnte.
»Das könnte das Einzige sein, was diese Männer davon abhält zurückzukommen. Hoffe lieber mal, dass die Karte nicht beschädigt ist.«
»Das ist mir egal. Ich hoffe nur, du hast deinen Spaß bei dem, was du darauf siehst. Ich hoffe, du bist richtig stolz auf dich, wenn du es dir ansiehst.«
Darauf wusste ich keine Antwort.
»Lass dich hier nie mehr blicken.«
Sie drehte sich um und ging ins Haus. Dabei klatschte sie mit der Hand auf den Knopf an der Wand, worauf das Garagentor hinter mir hochzufahren begann. Sie schloss die Tür, die ins Haus führte, ohne sich nach mir umzublicken. Ich wartete einen Moment, ob sie noch einmal zurückkäme und mir eine weitere verbale Attacke entgegenschleuderte. Aber sie kam nicht zurück. Ich steckte die Speicherkarte ein, dann hockte ich mich hin, um die Trümmer der Uhr einzusammeln.
22
Am Burbank Airport parkte ich auf dem Parkplatz für Langzeitparker, holte meine Reisetasche aus dem Wagen und nahm die Straßenbahn zum Terminal. Am Southwest-Schalter buchte ich mit einer meiner Kreditkarten einen einfachen Flug nach Las Vegas, der in weniger als einer Stunde ging. Dann begab ich mich zum Security-Check und stellte mich wie alle anderen in der Schlange an. Ich legte meine Tasche auf das Fließband und warf Autoschlüssel, Uhr und die Speicherkarte der Kamera in eine Plastikschüssel, um den Metalldetektor nicht zu aktivieren. Ich merkte, dass ich mein Handy im Mercedes liegen gelassen hatte, tröstete mich aber rasch damit, dass es sogar besser so war, weil sie es möglicherweise dazu benutzt hätten, meinen Aufenthaltsort anzupeilen.
Kurz vor dem Flugsteig blieb ich stehen, kaufte eine 10-Dollar-Telefonkarte und ging damit auf eine Reihe von Münzapparaten zu. Ich las die Anleitung auf der Telefonkarte zweimal. Nicht, weil sie so kompliziert war, sondern weil ich unschlüssig war. Schließlich nahm ich den Hörer doch ab und wählte eine Nummer, die ich auswendig wusste, aber fast ein Jahr lang nicht mehr angerufen hatte.
Sie ging schon nach dem zweiten Läuten dran, aber ich merkte sofort, dass ich sie geweckt hatte. Fast hätte ich aufgelegt, denn selbst wenn sie Anruferidentifizierung hatte, konnte sie nicht feststellen, dass ich es gewesen war. Aber nach ihrem zweiten Hallo begann ich schließlich zu sprechen.
»Eleanor, ich bin's, Harry. Habe ich dich geweckt?«
»Nicht so schlimm. Bei dir alles okay?«
»Ja, alles okay. Warst du lange spielen?«
»Ungefähr bis fünf, und dann waren wir noch frühstücken. Ich fühle mich, als wäre ich eben erst ins Bett gegangen. Wie spät ist es?«
Ich sagte ihr, es sei nach zehn, und sie stöhnte. Ich spürte das Zutrauen in meinen Plan dahinschwinden. Außerdem blieb ich bei der Frage hängen, wer mit dem ›wir‹ gemeint war, aber ich fragte sie nicht. Über diesen Punkt sollte ich längst hinaus sein.
»Harry, was gibt's?«, fragte sie in die Stille hinein. »Ist auch wirklich alles in Ordnung?«
»Doch, doch, alles bestens. Ich bin auch erst etwa um diese Zeit dazu gekommen, mich schlafen zu legen.«
In die
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