Harry Bosch 09 - Letzte Warnung
meiner Anwältin geschickt? Sollte das auch der Allgemeinheit dienen, von der Sie hier reden?«
Er antwortete nicht.
»Sie können mich gern zum Kotzen finden. Das ist Ihr gutes Recht. Trotzdem brauchen wir uns hier nichts vorzumachen. Dieses blöde Gequatsche können Sie sich also weiß Gott sparen. Dazu wissen wir beide nur zu gut, worum es hier geht. Einer Ihrer Leute ist zu weit gegangen und hat sich dabei erwischen lassen. Und jetzt müssen Sie die Rechnung dafür bezahlen. Das ist es, worum es hier geht. So einfach ist das.«
»Und in der Zwischenzeit wird nicht nur ein Ermittlungsverfahren kompromittiert, sondern möglicherweise werden dadurch sogar Menschenleben aufs Spiel gesetzt.«
»Das werden wir ja sehen.«
Die Lifttür ging auf. Wir waren im neunten Stock. Ohne zu antworten, stieg Peoples aus dem Aufzug. Die stets griffbereite Chipkarte brachte uns durch eine weitere Tür und in einen Bereitschaftsraum, wo mehrere Agenten an Schreibtischen arbeiteten. Als wir durch den Raum gingen, hielten die meisten in ihrer Tätigkeit inne, um mich anzusehen. Ich nahm an, dass sie entweder über mich und mein Vorhaben im Bilde waren oder dass in diesen heiligen Hallen bereits das bloße Auftauchen eines Nicht-Agenten für solches Aufsehen sorgte.
Auf halbem Weg durch den Raum entdeckte ich Milton, der im hinteren Teil weit zurückgelehnt an einem Schreibtisch saß und auf betont locker machte. Aber ich konnte die Wut spüren, die hinter der entspannten Fassade schwelte. Ich zwinkerte ihm zu und wandte mich ab.
Peoples führte mich in ein kleines Zimmer mit einem Schreibtisch und zwei Stühlen. Auf dem Schreibtisch war eine Schachtel. Ich schaute hinein und sah meinen Notizblock und die Akte, die ich über Angella Benton angelegt hatte. Außerdem enthielt sie den Ordner aus Lawton Cross' Garage und eine fünf Zentimeter dicke schwarze Mappe mit Dokumenten. Ich vermutete, dass es sich dabei um eine Kopie des LAPD-Mordbuchs handelte. Bei seinem Anblick begann mein Herz schneller zu schlagen. Das waren die fehlenden Spielkarten, nach denen ich gesucht hatte.
»Wo ist der Rest?«, fragte ich.
Peoples ging hinter den Schreibtisch und zog die Schublade in der Mitte heraus. Er nahm einen Ordner heraus und warf ihn auf den Schreibtisch.
»Hier drinnen finden Sie die Aufstellungen über den Aufenthalt der Verdächtigen zu den zwei Zeitpunkten, die Sie haben wollten. Ich glaube nicht, dass sie Ihnen weiterhelfen werden, aber das ist es, was Sie wollten. Sie können sie sich hier ansehen, aber mitnehmen dürfen Sie sie nicht. Sie werden diesen Raum nicht verlassen. Ist das klar?«
Ich nickte. Ich wollte es nicht überreizen.
»Was ist mit Aziz?«
»Wenn Sie damit fertig sind, stecke ich Sie in einem Raum mit ihm zusammen. Aber er wird nicht mit Ihnen reden. Reine Zeitverschwendung.«
»Es ist meine Zeit, die ich verschwende.«
»Bevor Sie dann gehen, rufen Sie Ihre Anwältin an und beauftragen sie, mir das Original und alle Kopien der Überwachungsaufnahmen auszuhändigen, die Sie gestern Abend und am Abend zuvor gemacht haben.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Tut mir Leid, aber so war es nicht abgemacht.«
»Das war es sehr wohl.«
»Nein. Ich habe nie gesagt, dass ich Ihnen die Aufnahmen aushändigen werde. Was ich gesagt habe, war, dass ich damit nicht an die Öffentlichkeit gehe. Das ist etwas völlig anderes. Ich werde doch nicht das einzige Druckmittel herausrücken, das ich habe. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen, John.«
»Wir hatten eine Abmachung.« Vor Ärger begannen seine Wangen zu zittern.
»Und ich halte mich an diese Abmachung. Genau so, wie wir es vereinbart haben.«
Ich fasste in meine Tasche und zog eine Tonbandkassette heraus. Ich hielt sie ihm hin.
»Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie es sich selbst anhören. Ich habe unsere Unterhaltung gestern Abend aufgezeichnet.«
Ich beobachtete, wie seine Augen registrierten, dass ich jetzt auch ihn direkt hineingezogen hatte.
»Nehmen Sie sie, John. Betrachten Sie es als ein Zeichen meines guten Willens. Es ist das Original. Kopien wurden keine gezogen.«
Er streckte langsam die Hand aus und nahm die Kassette. Ich ging hinter den Schreibtisch.
»Am besten, ich sehe mir mal an, was Sie in der Akte haben, und Sie tun schon mal, was Sie tun müssen, damit ich mit Aziz sprechen kann.«
Peoples steckte die Tonbandkassette ein und nickte.
»In zehn Minuten bin ich wieder zurück«, sagte er. »Wenn jemand reinkommt und wissen will, was Sie
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