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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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manchmal schwer und belegt an. Als er vor mehreren Jahren bei einem Ermittlungsverfahren starker Strahlenbelastung ausgesetzt worden war und sich daraufhin hatte untersuchen lassen, waren zum Glück keine Folgeschäden festgestellt worden. Dennoch hoffte er beharrlich, die Strahlung hätte alles zerstört, was in seiner Brust am Heranwachsen gewesen sein könnte.
    Er holte noch einmal das Handy heraus und stellte es auf Kamera-Modus. Dann beugte er sich über die Schüssel und fotografierte die zerfressenen Organe.
    »Was machen Sie denn da?«, fragte Laksmi.
    »Ich will das jemandem schicken.«
    Er sah sich das Foto an. Es war scharf genug, und er verschickte es per Mail.
    »Wem? Doch hoffentlich nicht den Angehörigen.«
    »Nein, meiner Tochter.«
    »Ihrer Tochter?«
    In ihrer Stimme schwang Entrüstung mit.
    »Damit sie sieht, wozu Rauchen führen kann.«
    »Aha.«
    Das war alles, was sie sagte. Bosch steckte das Handy ein und sah auf die Uhr. Er hatte sie von seiner Tochter geschenkt bekommen, nachdem er sie wieder einmal mitten in der Nacht angerufen hatte. Sie zeigte die Uhrzeit von L.A. und Hongkong an. In L.A. war es kurz nach fünfzehn Uhr, und der Zeitunterschied betrug fünfzehn Stunden. Das hieß, seine Tochter schlief noch und bekäme das Foto, wenn sie in etwa einer Stunde aufstünde, um zur Schule zu gehen. Er wusste, dass er sich damit einen aufgebrachten Protestanruf von ihr einhandeln würde, aber selbst so ein Anruf war besser als gar keiner.
    Er musste kurz lächeln bei dem Gedanken, konzentrierte sich aber sofort wieder auf die Arbeit. Es wurde Zeit, weiterzuziehen.
    »Dann schon mal vielen Dank, Doktor«, verabschiedete er sich von Laksmi. »Nur damit Sie wissen, ich bringe die ballistischen Beweisstücke jetzt zur Spurensicherung.«
    »Haben Sie schon unterschrieben?«
    Sie deutete auf ein Klemmbrett auf der Arbeitsplatte, und Bosch sah, dass sie das Übergabeprotokoll bereits ausgefüllt hatte. Mit seiner Unterschrift bestätigte er, dass sich die aufgeführten Beweisstücke jetzt in seinem Besitz befanden. Er ging zur Tür des Obduktionsraums.
    »Lassen Sie mir für die Hardcopy ein paar Tage Zeit«, sagte Laksmi.
    Damit war der offizielle Obduktionsbefund gemeint.
    »Kein Problem.« Bosch ging zur Tür hinaus.

10
    A uf der Fahrt zur Spurensicherung rief Bosch Chu an und erkundigte sich nach den Tattoos.
    »Ich habe sie noch nicht übersetzt«, sagte Chu.
    »Was? Haben Sie sie sich wenigstens angesehen?«
    »Klar habe ich sie mir angesehen, aber ich kann sie nicht übersetzen. Ich bin gerade auf der Suche nach jemandem, der das kann.«
    »Chu, ich habe Sie mit Mrs. Li reden sehen. Sie haben für sie gedolmetscht.«
    »Bosch, bloß weil ich Chinesisch sprechen kann, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch lesen kann. Es gibt achttausend chinesische Schriftzeichen wie diese. In der Schule habe ich nur Englisch gelernt. Und zu Hause habe ich zwar Chinesisch gesprochen, aber nie gelesen.«
    »Ach so. Gibt es denn bei Ihnen sonst niemanden, der sie mir übersetzen kann? Wenn ich das richtig verstanden habe, sind Sie doch bei der Asian
Crimes
Unit.«
    »Bei der Asian
Gang
Unit. Und wir haben hier natürlich Leute, die das können, nur ist gerade keiner von denen da. Sobald ich weiß, was die Schriftzeichen bedeuten, rufe ich Sie an.«
    »Super. Tun Sie das.«
    Bosch hängte auf. Die Verzögerung frustrierte ihn. Ein Ermittlungsverfahren musste sich bewegen wie ein Hai. Es durfte auf keinen Fall den Schwung verlieren, denn das konnte verhängnisvolle Folgen haben. Er sah auf die Uhr, um zu sehen, wie spät es in Hongkong war, dann fuhr er an den Straßenrand und sendete seiner Tochter das Foto von den Schriftzeichen. Sie bekäme sie auf ihrem Handy – unmittelbar nachdem sie sich das Foto von der Lunge angesehen hätte.
    Zufrieden fuhr Bosch wieder los. Dank seiner Tochter wurde er in Sachen digitaler Kommunikation immer versierter. Sie hatte darauf bestanden, mit allen verfügbaren modernen Hilfsmitteln mit ihm zu kommunizieren: E-Mail, SMS , Video; sie hatte sogar – ohne Erfolg – versucht, ihn für etwas zu erwärmen, das sich Twitter nannte. Umgekehrt hatte er darauf bestanden, auch auf altmodische Art mit ihr zu kommunizieren – in Form verbalen Austausches. Entsprechend hatte er beim Abschluss ihrer Handy-Verträge darauf geachtet, dass darin auch Auslandsgespräche abgedeckt waren.
    Als er wenige Minuten später im PAB eintraf, fuhr er umgehend zur Ballistik in den dritten

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