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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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antwortete.
    »Meiner Ansicht nach müsste er eigentlich gelähmt gewesen sein. Das Projektil blieb nämlich im vierten Brustwirbel stecken und hat dort das Rückenmark durchtrennt. Das hätte mit Sicherheit zu einer Lähmung geführt, die sich jedoch von dieser Stelle ausgebreitet hätte. Die Arme hätten also noch eine Weile beweglich sein können. Es wäre eine Frage der Zeit gewesen. Wie gesagt, sein Körper hätte binnen einer Minute zu funktionieren aufgehört.«
    Bosch nickte. Seine Theorie funktionierte noch. Li könnte sich die Patronenhülse mit letzter Kraft schnell geschnappt und in den Mund gesteckt haben.
    Bosch fragte sich, ob der Täter das mitbekommen hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er um den Ladentisch herumgehen müssen, um nach den Hülsen zu suchen. In dieser Zeit könnte Li nach einer von ihnen gegriffen und sie verschluckt haben. Die Blutspuren unter dem Toten hatten darauf hingedeutet, dass Lis Leiche bewegt worden war, und das war wahrscheinlich bei der Suche nach der fehlenden Patronenhülse passiert, wie Bosch jetzt klar wurde.
    Die Hülse war ein interessanter Fund, aber noch wichtiger war, dass Bosch jetzt wusste, dass dem Täter ein Fehler unterlaufen war. Er konnte es kaum erwarten, die Beweisstücke in die Ballistik zu bringen.
    »Gut, Doktor, sonst noch was?«
    »Ja, da wäre noch eine Sache, die Sie sich vielleicht lieber jetzt gleich ansehen sollten, statt auf die Fotos zu warten. Helfen Sie mir, ihn umzudrehen.«
    Sie gingen zum Obduktionstisch und drehten die Leiche vorsichtig um. Die Totenstarre war gekommen und gegangen, weshalb das nicht schwer war. Laksmi deutete auf die Füße des Toten. Bosch ging ans Fußende des Tischs und sah, dass auf Lis Fersen kleine chinesische Schriftzeichen tätowiert waren. An jedem Fuß waren auf beiden Seiten der Achillesferse zwei oder drei Piktogramme.
    »Haben Sie davon Fotos gemacht?«
    »Ja, ich werde sie dem Bericht beilegen.«
    »Gibt es hier jemanden, der mir das übersetzen kann?«
    »Ich glaube nicht. Dr. Ming vielleicht, aber er hat diese Woche Urlaub.«
    »Okay, können wir den Toten vielleicht ein Stück nach unten schieben, damit die Füße über die Kante stehen und ich ein Foto von ihnen machen kann?«
    Sie half ihm, die Leiche den Tisch hinunter zu ziehen. Als die Füße über den unteren Rand standen, plazierte Bosch sie so nebeneinander, dass die chinesischen Schriftzeichen in einer Reihe angeordnet waren. Dann griff er unter seinen Kittel und holte sein Handy heraus. Er stellte es auf Kamera-Modus und machte zwei Fotos von den Tätowierungen.

    »Alles klar.«
    Bosch legte das Handy beiseite, und sie drehten die Leiche wieder um und zogen sie wieder ganz auf den Tisch hinauf.
    Bosch streifte die Handschuhe ab und warf sie in den Abfalleimer, dann griff er erneut nach dem Handy und rief Chu an.
    »Ich bräuchte Ihre E-Mail-Adresse, damit ich Ihnen ein Foto schicken kann.«
    »Von was?«
    »Von den chinesische Schriftzeichen, die auf Mr. Lis Fersen tätowiert sind. Ich würde gern wissen, was sie bedeuten.«
    »Okay.«
    Chu gab ihm seine Büro-Mail-Adresse durch. Bosch sah sich die Bilder an und schickte ihm das schärfste, dann steckte er das Handy weg.
    »Dr. Laksmi, gibt es sonst noch etwas, was ich wissen sollte?«
    »Jetzt haben Sie, glaube ich, alles, Detective. Bis auf einen Punkt, der vielleicht die Angehörigen interessieren könnte.«
    »Ja, was?«
    Sie deutete auf eine der Organschalen, die auf der Arbeitsplatte aufgereiht standen.
    »Die Kugeln haben das Unvermeidliche nur beschleunigt. Mr. Li litt an Krebs in fortgeschrittenem Stadium.«
    Bosch schaute in die Schüssel. Laksmi hatte die Lungenflügel aus dem Brustkorb des Opfers entfernt und seziert, um feststellen zu können, welche Bahn das Projektil genommen hatte. Beide waren grau von Krebszellen.
    »Er hat geraucht«, sagte Laksmi.
    »Ich weiß«, sagte Bosch. »Wie lange, glauben Sie, hatte er schon Krebs?«
    »Ein Jahr vielleicht. Vielleicht auch länger.«
    »Können Sie feststellen, ob er behandelt wurde?«
    »So, wie es aussieht, nicht. Operiert wurde er jedenfalls mit Sicherheit nicht. Und es deutet auch nichts darauf hin, dass er eine Chemo- oder Strahlentherapie erhalten hat. Möglicherweise war der Krebs noch gar nicht erkannt worden. Aber er hätte es bald gemerkt.«
    Bosch musste an seine eigene Lunge denken. Er hatte schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört, aber es hieß, der Schaden entstand früh. Morgens fühlte sich seine Lunge

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