Harry Dresden 11: Verrat: Die dunklen Fälle des Harry Dresden (German Edition)
ein paar laut surrende kleine Runden.
„Er befindet sich in dem Haus auf der anderen Straßenseite, zwei Häuser weiter unten Richtung See.“
Ah! Wenn ich mich richtig erinnerte, handelte es sich bei dem Haus wie bei meinem auch um eine ehemalige Pension, die man inzwischen in einzelne Appartements umgewandelt hatte. „Das weiße mit den grünen Fensterläden?“
„Ja, dort hat sich der Schurke eingenistet!“ Eine kleine Hand flatterte zum Laubsägeschwert in seiner durchsichtigen Plastikscheide. „Soll ich ihn für dich erschlagen, mein Herr?“
Ich verkniff mir mit Mühe ein Lächeln. „Ich weiß nicht, ob das schon nötig ist“, sagte ich. „Woher weißt du, dass dieser Mann meine Wohnung beobachtet?“
„Oh, oh! Nicht sagen, nicht sagen!“ Toot hüpfte vor Aufregung leicht schwankend auf der Stelle hin und her. „Weil er Vorhänge vor den Fenstern hängen hat, so dass man nicht hineinsehen kann, und dann schiebt sich eine große schwarze Plastikschachtel mit einer wirklich langen Nase durch den Vorhang, und am Ende der Nase sitzt ein Glasauge, und er schaut die ganze Zeit in das Ende dieser Schachtel, und wenn er jemanden in dein Haus gehen sieht, drückt er auf einen Knopf, und die Schachtel piept.“
„Eine Kamera, was?“, fragte ich. „Hört sich echt ganz nach unserem Spion an.“ Ich blinzelte in den Sonnenschein über mir und rückte den unbequemen, dicken Lederstaubmantel zurecht. Ausziehen wollte ich ihn nicht – es lungerte zu viel Feindseligkeit in der Gegend herum. „Wie viele von euch sind in der Nähe, Toot?“
„Hunderte!“ Toot-toot ließ sein Schwert blitzen. „Tausende!“
Ich hob kritisch die rechte Braue. „Du hast die Pizza in Tausende von Stücken aufgeteilt?“
„Na ja!“ Er seufzte. „Ein paar Stücke waren es aber schon, Herr.“
Das kleine Volk war eine zersplitterte, schwer zu handhabende Bande, aber ich hatte im Laufe der Jahre so einiges gelernt, wovon kaum jemand sonst etwas ahnte. Zum Einen waren die Kleinen so gut wie überall, und wo sie gerade nicht waren, da konnten sie problemlos hingelangen. Zwar schafften sie es nicht, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, aber bei kurzen, einfachen Aufträgen waren sie die Hölle auf Rädern.
Außerdem ließ sich ihre Leidenschaft für Pizza mit nichts in der Welt vergleichen. Ich bestach das kleine Volk nun schon seit geraumer Zeit mit Pizza und erhielt im Gegenzug seine (zugegebenermaßen sprunghafte) Loyalität. Sie nannten mich den Za-Lord, und wer vom kleinen Volk meine Pizza aß, diente in der Wache des Za-Lords. Was grob zusammengefasst bedeutete, dass sie sich in der Nähe meiner Wohnung herumtrieben, auf Extrapizza hofften und bei der Gelegenheit mein Heim vor kleineren Bedrohungen beschützten.
Toot-toot war der Anführer dieser Palastwache, und er und seine Leute hatten mir in der Vergangenheit schon manchen wichtigen Gefallen getan. Sie hatten mir sogar mehrfach das Leben gerettet. In der übernatürlichen Gemeinde hatte niemand richtig auf dem Zettel, wozu die Kleinen imstande waren – man ignorieret Toot und die Seinen in der Regel. Ich war versucht, das als Lebensregel zu werten: Man durfte die Kleinen einfach nicht unterschätzen.
Der Job, um den es gerade ging, war genau Toots Kragenweite.
„Weißt du, was für ein Auto er fährt?“, wollte ich wissen.
Toot warf den Kopf zurück, ganz Yul Brunner in seinen besten Zeiten. „Natürlich! Das Blaue mit dem hier auf dem Kühler.“ Er stellte sich kerzengerade hin und hob die ausgestreckten Arme, bis sein Körper ein Y bildete.
„Ein blauer Mercedes, was? Gut, ich sage dir jetzt, was du zu tun hast.“
***
Fünf Minuten später krabbelte ich aus dem Gebüsch und ging zur Vorderseite meines Hauses, die zur Straße hin lag. Dann ging ich mit finsterer, wenn nicht sogar bedrohlicher Miene auf meiner Straßenseite bis zur Höhe des Hauses, in dem der Schnüffler sich verschanzt hatte, zeigte auf die Vorhänge vor den Fenstern im ersten Stock, winkte und deute vor mich auf den Bürgersteig.
Gut möglich, dass sich einer der Vorhänge leicht bewegt hatte. Ich zählte langsam bis fünf, ehe ich mich raschen, bestimmten Schrittes durch den geschäftigen Verkehr auf das Haus mit den grünen Fensterläden zu schlängelte.
Im dem Augenblick stürzte ein junger Mann in Khakishorts und grünem T-Shirt mit einer teuren Kamera um den Hals aus der Haustür und sprintete auf einen blauen Mercedes zu, der am Bordstein geparkt
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