Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
nicht“, sagte ich. „Also kommst du zu all diesen Feiern?“
„Es ist so Brauch“, erwiderte Nicky. „So kann ich Leute besuchen, die ich anderswo selten sehe.“ Er nickte dem Erlkönig und dem ältesten Geißleinbruder zu. „Wir nehmen uns ein paar Augenblicke Zeit, um Versäumtes nachzuholen.“
„Ja, und um zu jagen“, sagte der Erlkönig und zeigte beim Lächeln seine scharfen Zähne.
„Genau, und um zu jagen“, stimmte Nicky zu. Er spähte hinüber zum ältesten Geißleinbruder. „Hast du Lust, uns dieses Jahr zu begleiten?“
Geißlein brachte irgendwie ein L ä cheln zustande. „Das fragst du immer.“
„Du sagst immer nein.“
Der älteste Geißleinbruder zuckte die Achseln und schwieg.
„Augenblick mal“, sagte ich zu Nicky. „Du jagst?“ Ich wies auf den Erlkönig. „Mit ihm? Du?“
Nicky ließ weiteres schallendes Gelächter hören und, ich schwöre, er hielt sich den Bauch dabei. „Warum nicht?“
„Mann“, sagte ich. „Mann. Du bist der gottverdammte Weihnachtsmann.“
„Erst nach Halloween“, sagte er. „Genug ist genug. Da ziehe ich eine Grenze.“
„Witzig“, sagte ich, „aber ich habe das irgendwie nicht als Scherz gemeint.“
Er grunzte, und das Lächeln verschwand aus seinen Zügen. „Junge, ich sage dir hier und jetzt mal was. Keiner von uns ist mehr, was wir früher einmal waren. Jeder hat seine Geschichte. Jeder kommt irgendwo her. Jeder bewegt sich auf sein Ziel zu. In einem Leben, das so lang ist wie meines, kann der Weg schon mal länger dauern und seltsame Kurven einschlagen. Ich nehme an, du kennst dich damit aus.“
Ich runzelte die Stirn. „Soll heißen?“
Er wies auf seine Brust. „Das hier ist erst in der letzten Zeit die Geschichte geworden, die du kennst. Es leben noch Zauberer, die alt genug sind, dass sie von einer solchen Person nichts wussten, als sie als Kinder auf die Winterfeiertage warteten.“
Ich nickte gedankenvoll. „Du bist ein anderer geworden.“
Er zwinkerte.
„Was warst du vorher?“
Nicky lachte und war es anscheinend zufrieden, nichts zu sagen.
Ich drehte mich zu Sarissa um und fragte: „Du scheinst diese Leute fast alle zu kennen. Was ...?“
Sie war weg.
Ich schaute mich um, sah sie aber nicht. Ich blickte wieder zu Nicky und dem Erlkönig. Die beiden sahen mich ruhig und ausdruckslos an. Ich warf einen Blick auf den ältesten Geißleinbruder. Sein langes, rechtes Schlappohr zuckte.
Ich folgte der Bewegung und sah nach links. Sarissa wurde gerade unter der Nachbildung meines original Krieg-der-Sterne-Posters auf die Tanzfläche geführt. Das Poster war etwa so groß wie die Wand eines Wolkenkratzers, und die Tanzfläche darunter war so groß wie ein Parkplatz. Die meisten Sidhe tanzten, bestanden komplett aus fantastischer Anmut und wirbelnden Farben, mit dem gelegentlichen Aufblitzen eines edelsteingleichen Katzenauges bei jeder Drehung und jedem Schwung.
Ein halbwüchsiger Sidhe führte sie am Handgelenk, und an ihren angespannten Schultern erkannte ich, dass sie Schmerzen hatte. Ihrem Gesicht war allerdings nichts davon anzusehen. Der junge Sidhe trug eine schwarze Lederjacke und eine Baseballkappe mit dem Logo der Cincinnati Reds, aber sein Gesicht konnte ich nicht sehen.
„Eine neue Herausforderung, will mir scheinen“, brummte der Erlkönig.
„Ja“, sagte ich. „Meine Herren, wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.“
„Du kennst Mabs Gesetz, oder?“, fragte Nicky. „Du kennst den Preis, den du bezahlen musst, wenn du es brichst?“
„Ja.“
„Was hast du vor?“
„Mir scheint, hier haben wir einen Fall von schlechter Kommunikation. Ich denke, ich werde hingehen und einen Meinungsaustausch beginnen.“
6. Kapitel
E ine Tanzfläche voller Sidhe zu betreten war wie ein LSD-Trip.
Unter anderem, weil sie einfach so verdammt hübsch waren. Die Sidhe-M ädchen spielten, was körperliche Attraktivität betraf, alle in Maeves Liga. Einige von ihnen waren sogar so spärlich bekleidet wie sie; sie trugen nur das, was in Chicagos Clubs wohl gerade als provokative Mode galt. Ja, die Jungs waren auch attraktiv und genauso aufgedonnert wie die Mädchen, aber sie waren nicht halb so ablenkend für mich.
Unter anderem lag es auch an ihrer Anmut. Die Sidhe waren nicht menschlich, obwohl sie wie nahe Verwandte aussahen. Beim Anblick eines olympischen Turners, Eiskunstläufers oder professionellen Tänzers, der eine Figur aufführte, war man unweigerlich beeindruckt von der puren, lässigen
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