Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
spie Maeve.
„Aber du wähltest die Menschlichkeit?“, fragte ich Sarissa.
Sarissa zog die Achseln und sah weg.
„Hah“, spuckte Maeve. „Nein. Sie wählte gar nicht. Blieb einfach zwischen zwei Welten. Machte nichts aus sich selbst, verpflichtete sich zu nichts.“
„Maeve“, sagte Sarissa flüsternd. „Nicht.“
„Sie schwimmt nur mit dem Strom, hübsch, leer und gelangweilt“, fuhr Maeve in einem süßen und doch giftigen Ton fort. „Klammheimlich. Unscheinbar.“
„Maeve“, sagte Lily mit scharfer Stimme und sah auf. Sie hatte eine Hand Richtung Dämonenwind gestreckt, ihr Gesicht war schweißbedeckt, und sie schien sich gegen die Hände der Sidhe zu lehnen, um sich aufrecht zu halten. „Ich kann den Geist nicht die ganze Nacht allein halten. Wir müssen darüber reden, ehe es noch mehr außer Kontrolle gerät. Beeil dich und lass es uns beenden.“
Maeve wirbelte herum und stampfte auf. „Dies ist meine Nacht. Hetz mich nicht, du dumme Kuh!“
„Immer charmant“, bemerkte Sarissa.
Maeve drehte sich zurück zu Sarissa, und ihr rechter Arm, derjenige, dessen Hand die Pistole hielt, zuckte mehrmals. „Oh, mach nur weiter so. Du wirst schon sehen, was du davon hast.“
„Du wirst mich sowieso nicht leben lassen“, sagte Sarissa. „Ich bin nicht dumm.“
„Ich bin nicht blind“, spie Maeve zurück. „Denkst du wirklich, ich wüsste nichts über all die Zeit, die sie mit dir verbracht hat? All die vertrauten Gespräche, die gemeinsamen Streifzüge. Denkst du wirklich, ich wüsste nicht, was das heißt? Sie tut mir dir, was sie von jeher mit dir zu tun gedachte – sie nutzt dich als Ersatz. Sie bereitet dich auf die Macht vor. Bereitet meinen Ersatz vor. Als sei ich ein beschädigtes Bauteil einer Maschine.“
Sarissa wirkte bleich und nickte langsam. „Maeve“, sagte sie, und ihre Stimme war sehr sanft. „Du bist ... du bist krank. Das musst du wissen.“
Maeve hielt inne, neigte den Kopf, und ihr Haar bedeckte den Großteil ihres Gesichts.
„Irgendwo muss dir das doch klar sein. Sie will dir helfen. Sie sorgt sich auf ihre Art.“
Maeve bewegte nur den linken Arm, richtete einen Finger auf mich. „Ja. Ich sehe, wie sehr sie sich sorgt.“
„Es ist noch nicht zu spät“, sagte Sarissa. „Du weißt, wie sie plant. Sie ist gern auf alles vorbereitet. Aber es muss nicht so sein. Die Leanansidhe war krank, und Mutter half ihr. Aber ihre Kraft reicht nicht aus, um dich zu heilen. Du musst es wollen. Du musst geheilt werden wollen.“
Für einen Augenblick stand Maeve zitternd da, ein schlanker Baum unter zunehmender Belastung.
„Wir brauchen die Winterlady“, sagte Sarissa. „Wir brauchen dich. Du bist eine bösartige, gottverdammte Irre, und wir brauchen dich zurück.“
Maeve fragte mit sehr kläglicher Stimme: „Spricht sie über mich?“
Sarissa schwieg. Sie schluckte.
Maeve sagte mit härterer Stimme: „Spricht sie über mich?“
Sarissa hob das Kinn an und schüttelte den Kopf. „Sie ... sagt deinen Namen nicht. Aber ich weiß, sie fürchtet um dich. Du weißt, sie öffnet sich nie . So war es schon immer.“
Maeve erbebte.
Dann hob sie den Kopf und blickte Sarissa finster an. „Ich bin stark. Stärker, als ich es je war. Hier, jetzt, stärker als sie.“ Ihre Lippen zogen sich bebend von den Zähnen zurück und formten die h ässliche Nachahmung eines Lächelns. „Wieso sollte ich davon geheilt werden wollen?“ Sie brach erneut in eines ihrer psychotischen Lachen auf. „Ich stehe kurz davor, alles Kostbare zunichte zu machen, alles, was sie je mehr schätzte als ihr eigenes Blut, ihre eigenen Kinder. Aber wo ist sie?“ Maeve streckte die Arme aus und drehte sich um sich selbst. Ihre Stimme wandelte sich zu reinem Gift. „Wo? Ich habe um diesen Ort einen Kreis gezogen, und sie kann nicht herein. Natürlich fanden diese Primaten einen Weg herein, aber sie, die Königin über Luft und Dunkelheit, wird sich dazu nicht herablassen. Auch nicht, wenn es sie das Leben ihrer Tochter und die Welt der Sterblichen kostet.“
„Oh Maeve“, sagte Sarissa. Ihre Stimme war voller Anteilnahme und so etwas wie Resignation.
„Wo ist sie, Sarissa?“, verlangte Maeve zu wissen. Tränen bedeckten ihre Wangen, gefroren zu kleinen, weißen Strängen, bildeten weißen Frost auf ihren Wimpern. „Wo ist ihre Liebe? Wo ist ihr Zorn? Wo ist irgendetwas von ihr?“
Während sich dieses Drama abspielte, dachte ich hektisch nach. Ich bedachte den mächtigen Geist, der
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