Harry Dresden 14 - Eiskalt: Die dunklen Fälle des Harry Dresden Band 14 (German Edition)
mein Verbündeter war, den Lily aber aktionsunfähig und unbeweglich hielt. Ich bedachte die Fähigkeiten meiner Verbündeten und wie sie die gegenwärtige Situation hätten ändern können, wären sie nicht alle lahmgelegt. Molly war die Einzige, die sich auf freiem Fuß befand, und sie hatte sich auf dem See verausgabt. Sie würde nicht mehr viel Energie haben – sollte sie jetzt erscheinen, würden die Feen sie bequem besiegen können. Sie konnte die Situation nicht allein retten. Jemand musste die Dinge in Bewegung versetzen, ihr Chaos geben, mit dem sie arbeiten konnte.
Ich hatte nur nicht mehr viel Chaos in mir. Ich war todmüde, und wir brauchten einen Joker. Die Macht des Winterritters war eine Kraftquelle, das stimmte, aber Maeve hatte mich verdammt noch mal fast dazu überredet, mich ihrem Team anzuschließen, als ich ihm freie Hand gelassen hatte. Ich würde keinem eine Hilfe sein, wenn ich mich meinem inneren irren Raubtier ergab.
Hätten wir uns nicht alle in diesem dummen Kreis befunden, hätte ich zumindest eine Nachricht aussenden können , eine psychische Warnung. Ich war sicher, ich könnte sie zu meinem Großvater schicken, zu Elaine und vielleicht zu Wächter Luccio. Aber obschon ich mir sicher war, dass wir mit einer Matschhülle aus dem Zirkel entkommen konnten, gab es keine Chance, dass die Feen uns Zeit geben würden, uns zu bedecken und es zu versuchen. Wir waren in diesem Kreis praktisch bis zum Sonnenaufgang gefangen, genau wie ein herbeigerufenes Wesen aus dem Niemalsla…
Augenblick mal.
Kreise konnte man für verschiedene Dinge nutzen. Um die Energie eines Zauberspruches zu bündeln, sie von anderen Kräften abzuschirmen. Um Energieflüsse zu kappen, um ein im Niemalsland beheimatetes Wesen zu kontrollieren oder zu entkörperlichen.
Außerdem: Wenn man ein Sterblicher war, ein eingeborenes Wesen der realen Welt, dann konnte man sie für eine weitere Sache nutzen: für Beschwörungen.
„Sie ist nicht hier“, höhnte Maeve. „Sie schickt ihren Handlanger, um sich um mich zu kümmern? Nun gut. Ich will ihr eine Nachricht als Antwort senden!“ Die Automatik schwenkte zu meinem Kopf.
Ich rief, so schnell ich konnte, legte was ich an Willen noch hatte in die kürzeste und grundlegendste Beschwörung, die es gab: „Mab! Mab! Mab! Ich beschwöre dich!“
52. Kapitel
W enn man etwas beschwor, wusste man nie, wie es eintreffen würde.
Manchmal geschah das groß und dramatisch, wie bei Titania. Manchmal erschien es in einem donnernden Flammenschlag. Einmal kam etwas, das ich beschworen hatte, in einem Regen verfaulenden Fleisches, und ich hatte einen Monat gebraucht, um den Gestank wieder aus meinem alten Labor herauszukriegen. Seltener erschienen die betreffenden Dinge einfach, wie bei einer Diashow, die plötzlich ohne jede Dramatik an die Wand projiziert wurde.
Mab kam mit einem Glockenschlag plötzlicher, schrecklicher, vollkommener Stille.
Es gab einen Blitz – kein Licht, sondern plötzlicher Schnee, Frost, der jäh alles auf der Hügelkuppe bedeckte und sich schwer auf meine Wimpern legte. Ich hob eine Hand, um mir die Schneeflocken aus den Augen zu wischen, und als ich sie wieder senkte, war Mab da, sie schwebte einen Meter über dem Boden, wieder in ihrem rabenschwarzen Kleid, mit ihren mitternachtsschwarzen Augen und dem Ebenholzhaar. Der Frost ging von ihr aus, bedeckte die Hügelkuppe, und die Temperatur fiel um knapp zehn Grad.
Im selben Augenblick hörte alles auf der Hügelkuppe auf, sich zu bewegen. Es wehte kein Wind mehr. Es regnete nicht mehr in Strömen. Nur reine, spröde, kristalline Stille und eine plötzliche, trostlose, schwarze Präsenz, die dazu führte, dass ich mich ganz leise irgendwo verstecken wollte.
Mabs schwarzer, düsterer Blick schweifte über die gesamte Hügelkuppe und verharrte schließlich auf Lily und ihrem Unterstützerklüngel. Mabs linkes Auge zuckte einmal. Mit leiser, schrecklich präziser Stimme sagte sie: „Beendet. Diese. Grobheit. Sofort.“
Lily starrte Mab plötzlich mit weit aufgerissenen Augen an wie eine Teenagerin, die man beim Rummachen im Wohnzimmer ertappt hatte. Ihre selbstbewusste Haltung veränderte sich, und sie senkte jäh die Hand. Von ihrer Mannschaft ging, wie nach getaner Arbeit, ein Seufzen aus. Ich sah mich nach Dämonenwind um. Der Hütergeist sah nun nicht mehr wie in Zeitlupe vom Winde verweht aus und stand reglos im Eingang des Leuchtturms.
Lily starrte Mab ein paar Sekunden lang an. Dann hob sie
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