Harry Potter - Gesamtausgabe
weißen Händen an die Fensterbank, als er sah, wie der Mann mit dem schütteren Haar und die kleine Frau sich drehten und verschwanden, und er schrie vor Wut, und sein Schrei verschmolz mit dem des Mädchens, hallte durch die dunklen Gärten und übertönte die Kirchenglocken, die den Weihnachtstag einläuteten …
Und sein Schrei war Harrys Schrei, sein Schmerz war Harrys Schmerz … dass es hier geschehen konnte, wo es schon einmal geschehen war … hier, in Sichtweite jenes Hauses, wo er fast erfahren hätte, was Sterben bedeutete … Sterben … der Schmerz war so schrecklich … aus seinem Körper herausgerissen … aber wenn er keinen Körper hatte, warum schmerzte sein Kopf dann so heftig, wenn er tot war, wie konnte er so Unerträgliches empfinden, hörte der Schmerz mit dem Tod denn nicht auf, ging er nicht weg …
Die Nacht war regnerisch und windig, zwei Kinder wackelten als Kürbisse verkleidet über den Platz, und die Schaufenster der Läden waren mit Papierspinnen beklebt, all diese geschmacklosen Anspielungen der Muggel auf eine Welt, an die sie nicht glaubten … und er glitt dahin, erfüllt von diesem Gefühl der Entschlossenheit und der Macht und der Rechtmäßigkeit, das er bei solchen Gelegenheiten immer empfand … nicht Wut … das war etwas für schwächere Gemüter … sondern Triumph, jawohl … er hatte darauf gewartet, er hatte darauf gehofft …
»Hübsches Kostüm, Mister!«
Er sah, wie das Lächeln des kleinen Jungen verblasste, als er so nahe zu ihm hingelaufen war, dass er unter die Kapuze seines Umhangs sehen konnte, er sah, wie Angst sein bemaltes Gesicht verdüsterte: Dann drehte sich das Kind um und rannte davon … unter dem Umhang tastete er nach dem Griff seines Zauberstabs … eine einfache Bewegung, und das Kind würde nie zu seiner Mutter zurückkehren … aber unnötig, vollkommen unnötig …
Und er ging jetzt eine andere und dunklere Straße entlang, und nun war sein Ziel endlich in Sicht, der Fidelius-Zauber war gebrochen, auch wenn sie es noch nicht wussten … und er bewegte sich leiser als die toten Blätter, die über den Gehweg trieben, als er die dunkle Hecke erreichte und darüber hinwegstarrte …
Sie hatten die Vorhänge nicht zugezogen, er sah sie ganz deutlich in ihrem kleinen Wohnzimmer, den großen schwarzhaarigen Mann mit seiner Brille, der bunte Rauchwölkchen aus seinem Zauberstab herauspaffen ließ, zur Freude des kleinen schwarzhaarigen Jungen in seinem blauen Schlafanzug. Das Kind lachte und versuchte den Rauch zu fangen, ihn in seiner kleinen Faust einzuschließen …
Eine Tür ging auf, und die Mutter trat ein, sagte Worte, die er nicht hören konnte, ihr langes dunkelrotes Haar fiel ihr übers Gesicht. Nun hob der Vater den Sohn hoch und übergab ihn der Mutter. Er warf seinen Zauberstab auf das Sofa und streckte sich gähnend …
Das Tor quietschte ein wenig, als er es aufstieß, aber James Potter hörte es nicht. Seine weiße Hand zog den Zauberstab unter seinem Umhang hervor und richtete ihn auf die Tür, die aufbarst.
Er war über der Schwelle, als James in den Flur gerannt kam. Es war leicht, allzu leicht, er hatte nicht einmal seinen Zauberstab mitgenommen …
»Lily, nimm Harry und flieh! Er ist es! Flieh! Schnell! Ich halte ihn auf –«
Ihn aufhalten, ohne einen Zauberstab in der Hand! … Er lachte, bevor er den Fluch aussprach …
»Avada Kedavra!«
Das grüne Licht erfüllte den engen Flur, es beleuchtete den Kinderwagen, der an die Wand gestellt war, ließ die Geländerpfosten wie Blitzableiter erglühen, und James Potter fiel wie eine Marionette um, deren Fäden durchgeschnitten waren …
Er konnte sie im oberen Stock schreien hören, sie saß in der Falle, doch solange sie vernünftig war, hatte zumindest sie nichts zu befürchten … er stieg die Stufen hoch, lauschte leicht amüsiert ihren Versuchen, sich zu verbarrikadieren … auch sie hatte keinen Zauberstab bei sich … wie dumm sie waren, und wie vertrauensselig, zu glauben, dass ihre Sicherheit in der Hand von Freunden läge und dass sie ihre Waffen auch nur für Sekunden ablegen könnten …
Er brach die Tür auf, fegte mit einem lässigen Schlenker seines Zauberstabs den Stuhl und die Kisten beiseite, die sie hastig davor aufgestapelt hatte … und da stand sie, das Kind in ihren Armen. Bei seinem Anblick legte sie ihren Sohn rasch in das Bettchen hinter sich und breitete die Arme aus, als ob das helfen würde, als ob sie hoffte, dass sie, wenn sie ihn vor
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