Harry Potter und der Feuerkelch
gehen) – und wenn es möglich gewesen wäre, hätte Harry sich Finger in die Ohren gesteckt und laut gesummt, doch das ging nun wirklich nicht. Stattdessen versuchte er sich für einen Käfer zu begeistern, der über den Rücken des steinernen Rentiers krabbelte, doch er war einfach nicht interessant genug, um Hagrids nächste Worte untergehen zu lassen.
»Ich wusst es gleich … Sie sind wie ich … war’s die Mutter oder der Vater?«
»Isch – isch weiß nischt, was Sie meinen, ’Agrid …«
»Bei mir war’s die Mutter«, sagte Hagrid leise. »Sie war eine der Letzten in Britannien. Natürlich kann ich mich nich mehr gut an sie erinnern … sie ist fortgegangen. Als ich ungefähr drei war. War nich so der mütterliche Typ. Tja … liegt eben nich in ihrer Natur, nich. Keine Ahnung, was aus ihr geworden ist … vielleicht ist sie gestorben …«
Madame Maxime sagte kein Wort. Harry konnte der Verlockung nicht widerstehen, wandte den Blick von dem Käfer ab und spähte mit gespitzten Ohren über das Geweih des Rentiers zu den beiden hinüber … noch nie hatte er Hagrid über seine Kindheit sprechen gehört.
»Dass sie fortging, hat meinem Dad das Herz gebrochen. Winziger kleiner Kerl, mein Dad. Als ich sechs war, konnte ich ihn hochheben und ihn auf den Küchenschrank setzen, wenn er mich geärgert hat. Dann hat er immer gelacht …« Hagrids tiefe Stimme brach ab. Madame Maxime lauschte ihm reglos, ihr Blick schien auf den silbrigen Fontänen zu ruhen. »Dad hat mich großgezogen … aber dann ist er natürlich gestorben, gerade als ich in die Schule gekommen bin. Danach musste ich mich mehr schlecht als recht selbst durchschlagen. Dumbledore hat mir wirklich geholfen. War sehr freundlich zu mir, muss ich sagen …«
Hagrid zog ein großes, gepunktetes seidenes Taschentuch hervor und schnäuzte sich markerschütternd. »Tja … wie auch immer … das war’s von mir. Und wie steht’s mit Ihnen? Von wem haben Sie’s?«
Doch Madame Maxime war plötzlich aufgestanden.
»Mir ist kalt«, sagte sie. Doch so kalt es hier draußen auch immer war, es war nicht annähernd so eisig wie ihre Stimme. »Isch möschte wieder reinge’en.«
»Was?«, sagte Hagrid verdutzt. »Nein, gehen Sie nicht! Ich – ich hab noch nie eine andere getroffen!«
»Eine andere was denn genau?«, fragte Madame Maxime kalt.
Harry hätte Hagrid am liebsten gesagt, er solle jetzt bloß den Mund halten. Da stand er im Schatten verborgen, biss die Zähne zusammen und hoffte auf das Unmögliche – doch es hatte keinen Zweck.
»Eine zweite Halbriesin natürlich«, sagte Hagrid.
»Wie können Sie es wagen!«, kreischte Madame Maxime. Ihre Stimme gellte wie ein Nebelhorn durch die friedliche Nacht; Harry hörte, wie Fleur und Roger hinter ihm aus ihrem Rosenbusch stürzten. »Man ’at misch nie im Leben dermaßen beleidigt! ’albriese? Moi? Isch ’abe – isch ’abe große Knochen!«
Sie stürmte davon; große, vielfarbene Feenschwärme flatterten auf, als sie sich wütend durch die Büsche schlug. Hagrid saß immer noch auf der Bank und starrte ihr nach. Es war viel zu dunkel, um sein Gesicht sehen zu können. Dann, nach etwa einer Minute, stand er auf und schritt davon, nicht zurück zum Schloss, sondern hinaus auf das dunkle Land und hinüber zu seiner Hütte.
»Komm«, sagte Harry sehr leise zu Ron. »Gehen wir …«
Doch Ron rührte sich nicht.
»Was ist los?«, fragte Harry und sah ihn an.
Ron wandte sich mit todernster Miene Harry zu.
»Hast du das gewusst?«, wisperte er. »Dass Hagrid ein Halbriese ist?«
»Nein«, sagte Harry achselzuckend. »Na und?«
Ron sah ihn an, und Harry wusste sofort, dass er wieder einmal seine Unwissenheit über die Zaubererwelt kundgetan hatte. Er war bei den Dursleys aufgewachsen, und daher war vieles, was die Zauberer für selbstverständlich hielten, überraschend neu für Harry. Im Laufe seiner Schulzeit hatte er immer weniger von diesen Schnitzern begangen, nun jedoch spürte er, dass die meisten Zauberer nicht »na und?« sagen würden, wenn sie herausfänden, dass einer ihrer Freunde ein Halbriese war.
»Ich erklär’s dir drin«, sagte Ron leise. »Komm mit …«
Fleur und Roger Davies waren verschwunden, vermutlich weiter ins Buschwerk hinein, wo sie ungestört sein konnten. Harry und Ron kehrten in die Große Halle zurück. Parvati und Padma saßen nun an einem Tisch im Hintergrund, umgeben von einer ganzen Traube von Beauxbatons-Jungen, und Hermine tanzte schon wieder mit
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