Harry Potter und der Gefangene von Askaban
seinem eigenen Gesetz. Sollen sich die gewöhnlichen Leute um seine Sicherheit sorgen! Der berühmte Harry Potter geht, wohin er will, ohne an die Folgen zu denken.«
Harry schwieg beharrlich. Snape wollte ihn doch nur triezen und ihm die Wahrheit entlocken. Den Gefallen würde er ihm nicht tun. Snape hatte keinen Beweis – noch nicht.
»Du bist deinem Vater ganz erstaunlich ähnlich, Potter«, sagte Snape plötzlich mit glitzernden Augen. »Auch er war über die Maßen arrogant. Ein gewisses Talent auf dem Quidditch-Feld ließ ihn glauben, er stehe über uns anderen. Ist mit Freunden und Bewunderern herumstolziert … ihr seid euch geradezu unheimlich ähnlich.«
»Mein Dad ist nicht herumstolziert«, platzte es aus Harry heraus. »Und ich auch nicht.«
»Und dein Vater hat auch nicht viel von Regeln gehalten«, fuhr Snape fort; sein schmales Gesicht war voll Heimtücke. »Regeln waren für die Normalsterblichen da, nicht für die Pokalsieger im Quidditch. Das war ihm so zu Kopf gestiegen –«
»Schweigen Sie!«
Plötzlich war Harry auf den Beinen. Ein Zorn, wie er ihn seit dem letzten Abend im Ligusterweg nicht mehr gespürt hatte, durchströmte ihn. Es war ihm gleich, dass sich Snapes Gesicht versteinert hatte und seine schwarzen Augen gefährlich blitzten.
»Was hast du eben gesagt, Potter?«
»Sie sollen aufhören, über meinen Vater zu reden!«, rief Harry. »Ich weiß die Wahrheit, okay? Er hat Ihnen das Leben gerettet. Dumbledore hat es mir gesagt! Sie wären nicht einmal hier ohne meinen Dad!«
Snapes fahle Haut hatte die Farbe saurer Milch angenommen.
»Und hat dir der Schulleiter auch von den Umständen berichtet, unter denen dein Vater mir das Leben gerettet hat?«, flüsterte er. »Oder glaubte er, die Einzelheiten seien zu unerfreulich für die Ohren des geschätzten jungen Potter?«
Harry biss sich auf die Lippen. Er wusste nicht, was geschehen war, wollte es aber nicht zugeben – doch Snape schien die Wahrheit zu erraten.
»Es wäre mir überhaupt nicht recht, wenn du mit einer falschen Vorstellung von deinem Vater herumläufst, Potter«, und ein schreckliches Grinsen verzerrte sein Gesicht. »Hast du dir vielleicht eine glorreiche Heldentat vorgestellt? Dann muss ich dich enttäuschen – dein ach so wunderbarer Vater und seine Freunde spielten mir einen höchst amüsanten Streich, der mich umgebracht hätte, wenn dein Vater nicht im letzten Augenblick kalte Füße bekommen hätte. Das hatte überhaupt nichts mit Mut zu tun. Er rettete sein Leben ebenso wie meines. Wenn ihr Scherz gelungen wäre, hätte man sie von der Schule geworfen.«
Snape bleckte seine unregelmäßigen gelblichen Zähne.
»Leer deine Taschen aus, Potter!«, blaffte er ihn plötzlich an.
Harry rührte sich nicht. In seinen Ohren hämmerte es.
»Leer die Taschen aus oder wir gehen sofort zum Schulleiter! Zieh sie raus, Potter!«
Kalt vor Angst zog Harry langsam die Tüte mit Scherzartikeln von Zonko und die Karte des Rumtreibers hervor.
Snape griff sich Zonkos Tüte.
»Ron hat sie mir geschenkt«, sagte Harry und flehte zum Himmel, er würde Ron noch warnen können, bevor Snape ihn sah. »Er – hat sie letztes Mal aus Hogsmeade mitgebracht –«
»Ach ja? Und du trägst sie seither ständig mit dir herum? Wie ungemein rührend … und was ist das hier?«
Snape hielt die Karte in Händen. Harry versuchte mit aller Kraft, gleichmütig dreinzuschauen.
»Nur so ’n Stück Pergament«, sagte er achselzuckend.
Snape drehte es hin und her, ohne den Blick von Harry zu wenden.
»Du brauchst doch sicher kein so altes Stück Pergament?«, sagte er. »Warum – werfen wir es nicht einfach weg?«
Seine Hand näherte sich dem Feuer.
»Nein!«, sagte Harry rasch.
»Ach?«, sagte Snape mit zitternden Nasenflügeln. »Noch ein wohl behütetes Geschenk von Mr Weasley? Oder – ist es etwas ganz anderes? Ein Brief vielleicht, mit unsichtbarer Tinte? Oder – die Anleitung, wie man nach Hogsmeade kommt, ohne an den Dementoren vorbeizumüssen?«
Harry blinzelte. Snapes Augen glühten.
»Das werden wir gleich haben …«, murmelte er, zückte seinen Zauberstab und breitete die Karte auf dem Schreibtisch aus. »Enthülle dein Geheimnis!«, sagte er und berührte das Pergament mit dem Zauberstab.
Nichts geschah. Harry ballte die Hände zu Fäusten, um seine zitternden Finger zu verbergen.
»Zeige dich!«, sagte Snape und versetzte der Karte einen scharfen Hieb.
Sie blieb leer. Harry atmete tief durch, um sich zu
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