Harry Potter und der Halbblutprinz
womöglich wieder miteinander versöhnen … der Gedanke durchfuhr Harry wie ein eiskaltes Messer …
»Harry«, sagte Hermine, »wie kannst du dieses Buch noch verteidigen, wo dieser Zauber –«
»Hörst du jetzt endlich mal auf, über dieses Buch herzuziehen!«, fuhr Harry sie an. »Der Prinz hat ihn nur abgeschrieben! Und er hat keinem geraten, ihn zu verwenden! Wir wissen nur, dass er sich eine Notiz zu etwas gemacht hat, das jemand mal gegen ihn eingesetzt hat!«
»Das glaube ich nicht«, sagte Hermine. »Du verteidigst tatsächlich noch –«
»Ich verteidige nicht das, was ich getan habe!«, sagte Harry rasch. »Ich wünschte, ich hätte es nicht getan, und nicht nur, weil ich ungefähr ein Dutzend Mal nachsitzen muss. Du weißt, dass ich einen solchen Zauber nie benutzt hätte, nicht mal gegen Malfoy, aber du kannst nicht dem Prinzen die Schuld zuschieben, er hat nicht geschrieben ›Probier das aus, das ist echt gut‹ – er hat sich doch nur Notizen für sich selbst gemacht und nicht für irgendjemand sonst …«
»Willst du mir etwa sagen«, erwiderte Hermine, »dass du wieder dort hingehen wirst –?«
»Und das Buch zurückholst? Jaah, allerdings«, sagte Harry energisch. »Hör zu, ohne den Prinzen hätte ich nie den Felix Felicis gewonnen. Ich hätte nie gewusst, wie man Ron vor seiner Vergiftung retten kann, ich hätte nie –«
»– so völlig unverdient den Ruf eines brillanten Zaubertrankmischers bekommen«, sagte Hermine bissig.
»Lass mal gut sein, Hermine!«, sagte Ginny, und Harry war so verblüfft und so dankbar, dass er aufblickte. »Es klingt ganz danach, als ob Malfoy versucht hätte, einen Unverzeihlichen Fluch einzusetzen, du solltest froh sein, dass Harry was Gutes in petto hatte!«
»Klar, natürlich bin ich froh, dass Harry kein Fluch angehängt wurde!«, erwiderte Hermine, offensichtlich getroffen. »Aber du kannst diesen Sectumsempra -Zauber nicht gut nennen, Ginny, schau dir an, was er sich damit eingehandelt hat! Und wenn ich bedenke, was das nun für eure Chancen im Spiel bedeutet –«
»Oh, jetzt tu nicht plötzlich so, als würdest du was von Quidditch verstehen«, fauchte Ginny, »das wird doch nur peinlich für dich.«
Harry und Ron machten große Augen: Hermine und Ginny, die immer so gut miteinander ausgekommen waren, saßen auf einmal mit verschränkten Armen da und schauten wütend in entgegengesetzte Richtungen. Ron warf Harry einen nervösen Blick zu, dann schnappte er sich wahllos irgendein Buch und versteckte sich dahinter. Doch Harry war plötzlich unglaublich gut gelaunt, obwohl er wusste, dass er es kaum verdient hatte, und obwohl den ganzen restlichen Abend keiner von ihnen ein weiteres Wort sagte.
Sein Hochgefühl war von kurzer Dauer. Am nächsten Tag musste er die Sticheleien der Slytherins erdulden, von der beträchtlichen Wut einiger anderer Gryffindors ganz zu schweigen, die gar nicht glücklich darüber waren, dass ihr Kapitän sich eine Strafe eingehandelt hatte und am letzten Spiel der Saison nicht teilnehmen konnte. Was auch immer er zu Hermine gesagt haben mochte, am Samstagmorgen hätte er mit Vergnügen alles Felix Felicis der Welt dafür hergegeben, mit Ron, Ginny und den anderen hinunter zum Quidditch-Feld gehen zu dürfen. Er konnte es fast nicht ertragen, dass er sich von der Schar von Schülern abwenden musste, die alle hinaus in die Sonne strömten, Rosetten und Hüte trugen und ihre Spruchbänder und Schals schwenkten, während er selbst die steinernen Stufen zu den Kerkern hinabstieg und dann weiterging, bis der ferne Lärm der Menge völlig verklungen war, und dabei genau wusste, dass er kein Wort des Spielkommentars würde hören können, keinen Jubelschrei und kein Stöhnen.
»Ah, Potter«, sagte Snape, als Harry an seine Tür geklopft und das unangenehm vertraute Büro betreten hatte, das Snape, obwohl er jetzt einige Stockwerke weiter oben unterrichtete, nicht geräumt hatte; es war so schwach beleuchtet wie eh und je, und rundherum an den Wänden schwebten dieselben schleimigen toten Objekte in bunten Zauberlösungen. Die vielen Kästen voller Spinnweben, die auf einem Tisch gestapelt waren, an dem Harry offensichtlich sitzen sollte, ließen nichts Gutes ahnen; sie sahen ganz nach ermüdender, schwerer und sinnloser Arbeit aus.
»Mr Filch sucht jemanden, der diese alten Unterlagen in Ordnung bringt«, sagte Snape leise. »Es ist das Verzeichnis anderer Übeltäter in Hogwarts und ihrer Strafen. Wo die Tinte verblasst ist
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