Harry Potter und der Halbblutprinz
den Augenwinkeln und tröpfelten in seinen verfilzten Bart. »’s is’ mein Zuhause hier, ’s war mein Zuhause, seit ich dreizehn war. Und wenn’s Kinder gibt, die woll’n, dass ich ihnen was beibring, dann mach ich’s. Aber … ich weiß nich … Hogwarts ohne Dumbledore …«
Er schluckte, verschwand erneut hinter seinem Taschentuch, und Stille trat ein.
»Na schön«, sagte Professor McGonagall und blickte aus dem Fenster über das Gelände, um zu sehen, ob der Minister schon im Anmarsch war, »dann muss ich Filius zustimmen, dass es das Richtige ist, die Schulräte zu befragen und ihnen die endgültige Entscheidung zu überlassen.
Was die Heimreise der Schüler angeht … gibt es gute Gründe, dass diese eher früher als später stattfinden sollte. Wenn nötig, könnten wir es so einrichten, dass der Hogwarts-Express morgen kommt –«
»Was ist mit Dumbledores Begräbnis?«, ergriff Harry nun endlich das Wort.
»Nun …«, sagte Professor McGonagall, und da ihre Stimme bebte, wirkte sie etwas weniger energisch. »Ich – ich weiß, es war Dumbledores Wunsch, hier in Hogwarts begraben zu werden –«
»Dann wird das auch geschehen, oder?«, sagte Harry grimmig.
»Wenn das Ministerium es für angemessen hält«, erwiderte Professor McGonagall. »Noch nie wurde ein Schulleiter oder eine Schulleiterin –«
»Noch nie hat ein Schulleiter oder eine Schulleiterin mehr für diese Schule gege’m«, knurrte Hagrid.
»Hogwarts sollte Dumbledores letzte Ruhestätte sein«, sagte Professor Flitwick.
»Aber natürlich«, sagte Professor Sprout.
»Und in diesem Fall«, sagte Harry, »sollten Sie die Schüler nicht vor dem Begräbnis nach Hause schicken. Sie wollen sich sicher –«
Das letzte Wort blieb ihm im Hals stecken, aber Professor Sprout beendete den Satz für ihn.
»– verabschieden.«
»Gut gesagt«, quiekte Professor Flitwick. »Gut gesagt, in der Tat! Unsere Schüler sollten ihren Respekt erweisen, so gehört es sich. Für den Heimtransport können wir danach sorgen.«
»Ganz genau«, bellte Professor Sprout.
»Ich schätze … ja …«, sagte Slughorn, und seine Stimme klang recht aufgewühlt, während Hagrid mit einem erstickten Schluchzer zustimmte.
»Er kommt«, sagte Professor McGonagall plötzlich und spähte hinunter auf das Schlossgelände. »Der Minister … und wie es aussieht, hat er eine Delegation mitgebracht …«
»Kann ich gehen, Professor?«, sagte Harry sofort.
Er hatte nicht das geringste Bedürfnis, in dieser Nacht Rufus Scrimgeour zu sehen oder von ihm verhört zu werden.
»Ja«, sagte Professor McGonagall, »aber schnell.«
Sie schritt auf die Tür zu und hielt sie für ihn auf. Er rannte die Wendeltreppe hinunter und den verlassenen Korridor entlang; er hatte seinen Tarnumhang auf dem Astronomieturm gelassen, doch es spielte keine Rolle; in den Korridoren war niemand, der ihn hätte vorbeigehen sehen können, nicht einmal Filch, Mrs Norris oder Peeves. Er traf keine Menschenseele, bis er in den Gang einbog, der zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors führte.
»Ist es wahr?«, flüsterte die fette Dame, als er sich näherte. »Ist es wirklich wahr? Dumbledore – tot?«
»Ja«, sagte Harry.
Sie stieß einen klagenden Schrei aus und schwang vor, um ihn einzulassen, ohne auf das Passwort zu warten.
Wie Harry vermutet hatte, war es im Gemeinschaftsraum gerammelt voll. Als er durch das Porträtloch kletterte, wurde es still. Er sah Dean und Seamus mit einigen anderen in der Nähe sitzen: Das bedeutete, dass der Schlafsaal leer sein musste, oder fast leer. Ohne mit jemandem zu sprechen oder auch nur jemandem in die Augen zu sehen, ging Harry mitten durch den Raum und durch die Tür zu den Jungenschlafsälen.
Wie er gehofft hatte, saß Ron immer noch komplett angezogen auf dem Bett und wartete auf ihn. Harry setzte sich auf sein Himmelbett und einen Moment lang starrten sie einander nur an.
»Sie reden darüber, ob man die Schule schließen sollte«, sagte Harry.
»Lupin meinte, dass sie das machen werden«, sagte Ron.
Eine Pause trat ein.
»Und?«, sagte Ron mit sehr leiser Stimme, als glaubte er, die Möbel würden sie belauschen. »Habt ihr einen gefunden? Habt ihr einen gekriegt? Einen – einen Horkrux?«
Harry schüttelte den Kopf. Alles, was an diesem schwarzen See geschehen war, kam ihm jetzt wie ein längst vergangener Alptraum vor; war es wirklich passiert, nur Stunden zuvor?
»Ihr habt ihn nicht gekriegt?«, sagte Ron mit niedergeschlagener Miene.
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