Harry Potter und der Halbblutprinz
Schönheit (nach dem, was Harry heraushörte, war sie siebenmal verheiratet gewesen, jeder ihrer Ehemänner war unter mysteriösen Umständen gestorben und hatte ihr bergeweise Gold hinterlassen). Dann war Neville an der Reihe: Es wurden zehn äußerst unbehagliche Minuten, denn Nevilles Eltern, weithin bekannte Auroren, waren von Bellatrix Lestrange und von einigen ihrer Todessergefährten bis zum Wahnsinn gefoltert worden. Als Nevilles Befragung zu Ende war, hatte Harry den Eindruck, Slughorn würde sein Urteil über Neville noch zurückhalten, bis sich herausstellte, ob er etwas von der Begabung seiner Eltern geerbt hatte.
»Und nun«, sagte Slughorn und rutschte wie ein Conférencier, der seinen Stargast vorstellt, gewichtig auf seinem Platz hin und her, »Harry Potter! Wo fangen wir an? Ich habe das Gefühl, dass ich nur ein wenig an der Oberfläche gekratzt habe, als wir uns im Sommer trafen!«
Er betrachtete Harry einen Moment lang gedankenverloren, als ob er ein besonders großes und saftiges Stück Fasan wäre, dann sagte er: »Der ›Auserwählte‹ werden Sie jetzt genannt!«
Harry sagte nichts. Belby, McLaggen und Zabini starrten ihn an.
»Natürlich«, fuhr Slughorn fort, während er Harry genau musterte, »gibt es seit Jahren Gerüchte … Ich erinnere mich noch, als – nun – nach dieser schrecklichen Nacht – Lily – James – und Sie überlebten – und es hieß, dass Sie Kräfte haben müssen, die über die gewöhnlichen –«
Zabini hüstelte leise, was offensichtlich amüsierte Skepsis andeuten sollte. Eine zornige Stimme brach hinter Slughorn hervor.
»Jaah, Zabini, weil du ja so begabt bist … im Schöntun …«
»Ach je!«, gluckste Slughorn wohlig und drehte sich zu Ginny um, die um Slughorns dicken Bauch herum Zabini böse anfunkelte. »Seien Sie lieber vorsichtig, Blaise! Ich hab gesehen, wie diese junge Dame den herrlichsten Flederwichtfluch ausführte, als ich durch ihren Waggon ging! Ich würde ihr nicht in die Quere kommen!«
Zabini blickte nur verächtlich.
»Wie auch immer«, sagte Slughorn und wandte sich wieder Harry zu. »Solche Gerüchte diesen Sommer. Natürlich weiß man nicht, was man glauben soll, der Prophet hat bekanntlich immer wieder mal ungenau berichtet und Fehler gemacht – aber angesichts der vielen Zeugen ist wohl kaum zu bezweifeln, dass es einen ziemlichen Tumult im Ministerium gab und dass Sie mittendrin steckten!«
Harry, dem kein Ausweg aus dem Ganzen einfiel, ohne eindeutig zu lügen, nickte, sagte aber immer noch nichts. Slughorn sah ihn strahlend an.
»So bescheiden, so bescheiden, kein Wunder, dass Dumbledore so angetan ist – Sie waren also da? Aber die anderen Geschichten – so sensationell, dass man ja gar nicht recht weiß, was man glauben soll – diese sagenhafte Prophezeiung beispielsweise –«
»Wir haben nie eine Prophezeiung gehört«, sagte Neville und lief dabei geranienrosa an.
»Das stimmt«, sagte Ginny nachdrücklich. »Neville und ich, wir waren beide auch da, und der ganze Unsinn mit dem ›Auserwählten‹ kommt nur vom Propheten, der wie immer Sachen erfindet.«
»Sie waren beide auch da, tatsächlich?«, sagte Slughorn mit großem Interesse und blickte von Ginny zu Neville, doch beide blieben stumm wie Fische angesichts seines ermunternden Lächelns. »Ja … nun … es ist wahr, dass der Prophet häufig übertreibt, selbstverständlich …«, fuhr Slughorn in leicht enttäuschtem Ton fort. »Ich weiß noch, wie die liebe Gwenog zu mir gesagt hat – ich meine natürlich Gwenog Jones, die Kapitänin der Holyhead Harpies –«
Er driftete ab in weitschweifige Erinnerungen, doch Harry spürte deutlich, dass Slughorn mit ihm noch nicht fertig war und dass Neville und Ginny ihn nicht überzeugt hatten.
Der Nachmittag schleppte sich dahin mit weiteren Anekdoten über illustre Zauberer, die Slughorn unterrichtet hatte und die sich in Hogwarts alle begeistert dem »Slug-Klub«, wie er ihn nannte, angeschlossen hatten. Harry wäre am liebsten gegangen, aber er hatte keine Ahnung, wie er es anstellen sollte, ohne unhöflich zu wirken. Schließlich fuhr der Zug aus einer weiteren breiten Nebelfront in einen roten Sonnenuntergang hinein und Slughorn sah sich blinzelnd im Zwielicht um.
»Du meine Güte, es wird ja schon dunkel! Ich habe gar nicht bemerkt, dass sie die Lampen angemacht haben! Sie sollten jetzt besser alle gehen und Ihre Umhänge anziehen. McLaggen, Sie müssen unbedingt noch mal vorbeischauen und sich das Buch
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