Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
jemandem begleitet, der größer war als sie und aufgeregt an ihrer Seite humpelte. Sein Haar war länger, als Harry es je an ihm gesehen hatte; er schien mehrere tiefe Wunden im Gesicht abbekommen zu haben, und seine Kleider waren zerrissen und zerfetzt. Die beiden Gestalten wurden immer größer, bis ihre Köpfe und Schultern das gesamte Porträt einnahmen. Dann schwang das ganze Bild vor wie eine kleine Tür in der Wand und gab den Eingang zu einem echten Tunnel frei. Und aus dem Tunnel kletterte, mit stark gewucherten Haaren, zerschnittenem Gesicht, zerrissenem Umhang, der echte Neville Longbottom, der vor Freude aufschrie, vom Kaminsims heruntersprang und rief: »Ich wusste, dass ihr kommen würdet! Ich wusste es, Harry!«
Das verschollene Diadem
»Neville – was zum – wie –?«
Aber Neville hatte Ron und Hermine entdeckt und schloss nun auch sie unter Freudenschreien in die Arme. Je länger Harry Neville ansah, desto schlimmer erschien ihm sein Zustand: Eines seiner Augen war geschwollen, gelb und lila, auf seinem Gesicht waren Narben von Stichen, und so heruntergekommen, wie er insgesamt wirkte, lag der Schluss nahe, dass ihm in letzter Zeit übel mitgespielt worden war. Und doch leuchtete sein zerschundenes Gesicht vor Glück, als er Hermine losließ und noch einmal sagte: »Ich wusste, dass ihr kommen würdet! Ist nur eine Frage der Zeit, hab ich immer zu Seamus gesagt!«
»Neville, was ist mit dir passiert?«
»Was? Das?« Neville tat seine Verletzungen mit einem Kopfschütteln ab. »Das ist nichts. Seamus schaut übler aus. Du wirst sehen. Gehen wir dann? Oh«, er wandte sich an Aberforth, »Ab, es sind vielleicht noch ein paar Leute unterwegs.«
»Noch ein paar?«, wiederholte Aberforth düster. »Was soll das heißen, noch ein paar, Longbottom? Es gibt eine Ausgangssperre und auf dem ganzen Dorf liegt ein Katzenjammer-Zauber!«
»Ich weiß, deshalb werden sie direkt in die Bar apparieren«, sagte Neville. »Schick sie einfach den Gang runter, wenn sie da sind, ja? Vielen Dank.«
Neville reichte Hermine die Hand und half ihr, auf den Kaminsims und in den Tunnel zu steigen; Ron folgte, dann Neville. Harry richtete das Wort an Aberforth.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie haben uns das Leben gerettet, zwei Mal.«
»Dann passt darauf auf«, sagte Aberforth barsch. »Ein drittes Mal kann ich es vielleicht nicht retten.«
Harry kletterte auf den Kaminsims und durch das Loch hinter Arianas Porträt. Auf der anderen Seite waren glatte steinerne Stufen: Es sah aus, als gäbe es den Tunnel schon seit Jahren. Messinglampen hingen an den Wänden, und der Erdboden war festgetreten und eben; während sie gingen, bewegten sich ihre Schatten wie Fächer über die Wände.
»Wie lange gibt es den schon?«, fragte Ron, als sie aufbrachen. »Er ist nicht auf der Karte des Rumtreibers, oder, Harry? Ich dachte, es gäbe nur sieben Geheimgänge in die Schule?«
»Die haben sie vor Beginn des Schuljahrs alle versiegelt«, sagte Neville. »Es gibt jetzt keine Möglichkeit mehr, durch einen davon hindurchzukommen, Flüche liegen auf den Eingängen, und Todesser und Dementoren warten an den Ausgängen.« Er ging nun rückwärts, strahlte und sah sie alle genau an. »Aber das ist jetzt egal … stimmt es? Seid ihr in Gringotts eingebrochen? Seid ihr einem Drachen entkommen? Das geht überall rum, alle reden drüber, Terry Boot ist von Carrow zusammengeschlagen worden, weil er es in der Großen Halle beim Abendessen rumposaunt hat!«
»Ja, es stimmt«, sagte Harry.
Neville lachte übermütig.
»Was habt ihr mit dem Drachen gemacht?«
»Freigelassen«, sagte Ron. »Hermine wollte ihn unbedingt als Kuscheltier behalten –«
»Übertreib nicht, Ron –«
»Aber was habt ihr die ganze Zeit getrieben? Es hieß, ihr seid nur auf der Flucht gewesen, Harry, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, dass ihr irgendwas vorhattet.«
»Da hast du Recht«, sagte Harry, »aber erzähl uns von Hogwarts, Neville, wir haben überhaupt nichts gehört.«
»Es war … also, es ist eigentlich nicht mehr Hogwarts«, sagte Neville, und während er sprach, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. »Kennt ihr die Carrows?«
»Diese beiden Todesser, die hier unterrichten?«
»Die unterrichten nicht nur«, sagte Neville. »Die sind für die ganze Disziplin verantwortlich. Die stehen auf Strafen, diese Carrows.«
»Wie Umbridge?«
»Nee, die ist zahm dagegen. Die anderen Lehrer sollen uns an die Carrows
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