Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
herab. »Der Erlass zur Befugten Beschlagnahme verleiht dem Ministerium die Macht, den Gegenstand eines Testaments einzubehalten –«
»Dieses Gesetz wurde geschaffen, um Zauberer daran zu hindern, schwarzmagische Artefakte weiterzuvererben«, sagte Hermine, »und das Ministerium muss stichhaltige Beweise dafür haben, dass die Besitztümer des Verstorbenen illegal sind, bevor man sie beschlagnahmt! Wollen Sie mir sagen, dass Sie dachten, Dumbledore hätte versucht, uns irgendetwas zu vererben, auf dem ein Fluch liegt?«
»Haben Sie vor, sich später beruflich mit magischem Recht zu befassen, Miss Granger?«, fragte Scrimgeour.
»Nein, das habe ich nicht«, entgegnete Hermine. »Ich hoffe, dass ich etwas Gutes in der Welt bewirken kann!«
Ron lachte. Scrimgeours Augen flackerten zu Ron hinüber und wieder weg, als Harry zu sprechen begann.
»Und was hat Sie bewogen, uns unsere Sachen jetzt zu geben? Fällt Ihnen etwa keine Ausrede dafür ein, sie zu behalten?«
»Nein, es liegt sicher daran, dass die einunddreißig Tage abgelaufen sind«, warf Hermine sofort ein. »Sie dürfen die Gegenstände nicht länger behalten, es sei denn, sie können beweisen, dass sie gefährlich sind. Stimmt’s?«
»Würden Sie sagen, dass Sie Dumbledore nahestanden, Ronald?«, fragte Scrimgeour, ohne auf Hermine einzugehen. Ron blickte verdutzt.
»Ich? Nicht – nicht so richtig … es war immer Harry, der …«
Ron wandte sich zu Harry und Hermine, die ihm einen Blick zuwarf, der wohl Hör auf zu quatschen! bedeuten sollte, doch es war schon zu spät: Scrimgeour machte den Eindruck, als ob er genau das gehört hätte, was er erwartet hatte und hören wollte. Wie ein Raubvogel stürzte er sich auf Rons Antwort.
»Wenn Sie Dumbledore nicht sonderlich nahestanden, wie erklären Sie sich die Tatsache, dass er Sie in seinem Testament berücksichtigt hat? Er hat außerordentlich wenige Personen bedacht. Der weitaus überwiegende Teil seiner Besitztümer – seine Privatbibliothek, die magischen Instrumente und andere persönliche Dinge – gingen an Hogwarts. Warum, glauben Sie, wurden Sie ausgewählt?«
»Ich … hab keine Ahnung«, sagte Ron. »Ich … als ich sagte, dass wir uns nicht so nahestanden … Ich meine, ich glaube, er mochte mich …«
»Du untertreibst, Ron«, sagte Hermine. »Dumbledore hat dich sehr geschätzt.«
Damit hatte sie die Wahrheit mehr als strapaziert; soweit Harry wusste, hatten sich Ron und Dumbledore nie unter vier Augen gesehen, und sie hatten kaum nennenswerten persönlichen Kontakt gehabt. Doch Scrimgeour hörte offenbar gar nicht zu. Er steckte die Hand unter seinen Umhang und holte einen Zugbeutel hervor, einen viel größeren als den, den Hagrid Harry geschenkt hatte. Er nahm eine Pergamentrolle heraus, rollte sie auf und las laut vor.
»Letzter Wille und Testament von Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore … ja, hier steht es … Ronald Bilius Weasley hinterlasse ich meinen Deluminator in der Hoffnung, dass er an mich denkt, wenn er ihn benutzt.«
Scrimgeour zog etwas aus dem Beutel, das Harry bekannt vorkam: Es sah aus wie ein silbernes Feuerzeug, aber er wusste, dass es die Kraft hatte, mit einem einfachen Klick sämtliches Licht von einem Ort aufzusaugen und es auch wieder zurückzugeben. Scrimgeour beugte sich vor und reichte den Deluminator Ron, der ihn mit verdutzter Miene entgegennahm und zwischen den Fingern drehte.
»Dies ist ein wertvolles Objekt«, sagte Scrimgeour, den Blick auf Ron geheftet. »Es ist vielleicht sogar ein Unikat. Mit Sicherheit wurde es von Dumbledore selbst entworfen. Weshalb sollte er Ihnen einen so seltenen Gegenstand hinterlassen?«
Ron schüttelte ratlos den Kopf.
»Dumbledore muss Tausende von Schülern unterrichtet haben«, fuhr Scrimgeour unbeirrt fort. »Doch die einzigen, die er in seinem Testament bedacht hat, sind Sie drei. Was ist der Grund dafür? Für welchen Zweck, glaubte er, würden Sie seinen Deluminator verwenden, Mr Weasley?«
»Ich denk mal, um Lichter auszumachen«, murmelte Ron. »Was könnte ich sonst damit anfangen?«
Offenbar hatte Scrimgeour keine Vorschläge parat. Er sah Ron kurz mit zusammengekniffenen Augen an, dann widmete er sich wieder Dumbledores Testament.
»Miss Hermine Jean Granger hinterlasse ich mein Exemplar der ›Märchen von Beedle dem Barden‹, in der Hoffnung, sie möge sie unterhaltsam und lehrreich finden.«
Scrimgeour zog ein kleines Buch aus dem Beutel, das so alt aussah wie die Geheimnisse der
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