Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
erzählen wollte, aber Ron tanzte mit Hermine weit entfernt in der Mitte der Tanzfläche. Harry lehnte sich an einen der goldenen Pfosten und beobachtete Ginny, die jetzt mit Freds und Georges Freund Lee Jordan tanzte, und er versuchte sich nicht über das Versprechen zu ärgern, das er Ron gegeben hatte.
Er war noch nie auf einer Hochzeit gewesen und konnte deshalb nicht beurteilen, wie ein Fest von Zauberern und Hexen sich von einem bei den Muggeln unterschied, obwohl er ziemlich sicher war, dass es bei den Muggeln keine Hochzeitstorte mit zwei nachgebildeten Phönixen darauf gab, die losflogen, wenn die Torte angeschnitten wurde, und auch keine Champagnerflaschen, die von allein durch die Menge schwebten. Als der Abend anbrach und erste Nachtfalter unter den Baldachin flatterten, den jetzt schwebende goldene Laternen beleuchteten, wurde der Trubel immer ausgelassener. Fred und George waren längst mit zwei von Fleurs Cousinen in die Dunkelheit verschwunden; Charlie, Hagrid und ein untersetzter Zauberer mit einem purpurroten Filzhut sangen in einer Ecke »Odo der Held«.
Harry streifte durch die Menge, um einem betrunkenen Onkel von Ron zu entkommen, der unsicher schien, ob Harry sein Sohn war oder nicht, als er einen alten Zauberer bemerkte, der allein an einem Tisch saß. Mit seiner weißen Haarwolke, die ein mottenzerfressener Fes bedeckte, sah er eher aus wie eine nicht mehr ganz frische Pusteblume. Harry kannte ihn von irgendwoher: Er zermarterte sich das Hirn, bis ihm plötzlich einfiel, dass es Elphias Doge war, Mitglied des Phönixordens und Autor von Dumbledores Nachruf.
Harry ging auf ihn zu.
»Darf ich mich setzen?«
»Natürlich, natürlich«, sagte Doge; er hatte eine ziemlich hohe, keuchende Stimme.
Harry beugte sich zu ihm hin.
»Mr Doge, ich bin Harry Potter.«
Doge hielt den Atem an.
»Mein lieber Junge! Arthur hat mir erzählt, dass du hier bist, getarnt … ich bin entzückt, was für eine Ehre!«
Freudig erregt schenkte Doge Harry hektisch einen Kelch Champagner ein.
»Ich wollte dir eigentlich schreiben«, flüsterte er, »nachdem Dumbledore … der Schock … und für dich, da bin ich sicher …«
Doges kleine Augen füllten sich plötzlich mit Tränen.
»Ich habe den Nachruf gelesen, den Sie für den Tagespropheten geschrieben haben«, sagte Harry. »Ich wusste nicht, dass Sie Professor Dumbledore so gut kannten.«
»Nicht besser als jeder andere«, sagte Doge und tupfte sich mit einer Serviette die Augen. »Ich kannte ihn zweifellos am längsten, wenn man Aberforth nicht mit einrechnet – und irgendwie scheinen die Leute Aberforth nie mit einzurechnen.«
»Wo wir gerade beim Tagespropheten sind … ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben, Mr Doge –?«
»Oh, bitte, nenn mich Elphias, guter Junge.«
»Elphias, ich weiß nicht, ob Sie das Interview gesehen haben, das Rita Kimmkorn über Dumbledore gegeben hat?«
Zornesröte trat in Doges Gesicht.
»O ja, Harry, das habe ich. Diese Frau, oder besser gesagt dieser Aasgeier, hat mich wahrhaft bis aufs Blut gequält, damit ich mit ihr rede. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich recht unhöflich wurde und sie eine vorlaute Forelle nannte, was, wie du vermutlich bemerkt hast, zu Verunglimpfungen meines Geisteszustands führte.«
»Nun«, fuhr Harry fort, »in diesem Interview deutet Rita Kimmkorn an, dass Professor Dumbledore in seiner Jugend mit den dunklen Künsten zu tun hatte.«
»Glaub kein Wort davon!«, sagte Doge sogleich. »Kein Wort, Harry! Lass es nicht zu, dass irgendetwas deine Erinnerungen an Albus Dumbledore trübt!«
Harry blickte in Doges ernstes, gequältes Gesicht und fühlte sich nicht beruhigt, sondern enttäuscht. Glaubte Doge wirklich, dass es so leicht war, dass Harry sich einfach aussuchen konnte, es nicht zu glauben? Verstand Doge Harrys Bedürfnis nicht, sicher zu sein und alles zu erfahren?
Vielleicht ahnte Doge, was in Harry vorging, denn er blickte besorgt und fuhr hastig fort: »Harry, Rita Kimmkorn ist eine schreckliche –«
Doch er wurde von einem schrillen Gegacker unterbrochen.
»Rita Kimmkorn? Oh, ich liebe sie, ich lese alles von ihr!«
Harry und Doge blickten auf und sahen Tantchen Muriel vor sich stehen, mit wippenden Hutfedern und einem Champagnerkelch in der Hand. »Sie hat ein Buch über Dumbledore geschrieben, wisst ihr!«
»Hallo, Muriel«, sagte Doge. »Ja, wir haben uns gerade darüber –«
»He, du! Gib mir deinen Stuhl, ich bin hundertsieben!«
Ein weiterer
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