Harry Potter und die Heiligtümer des Todes
rothaariger Weasley-Cousin sprang alarmiert auf, und Tantchen Muriel schwang seinen Stuhl überraschend kraftvoll herum und ließ sich zwischen Doge und Harry darauf niederplumpsen.
»Da bist du ja wieder, Barry, oder wie immer du heißt«, sagte sie zu Harry. »Nun, was wolltest du über Rita Kimmkorn sagen, Elphias? Du weißt, dass sie eine Biographie von Dumbledore geschrieben hat? Ich kann es kaum erwarten, sie zu lesen, ich darf nicht vergessen, sie bei Flourish & Blotts zu bestellen!«
Doge machte bei diesen Worten eine starre und ernste Miene, aber Tantchen Muriel leerte ihren Kelch, schnipste mit ihren knochigen Fingern nach einem vorbeigehenden Kellner und ließ sich einen neuen geben. Sie nahm einen neuerlichen großen Schluck Champagner, rülpste und sagte dann: »Ihr braucht nicht wie ein Paar ausgestopfter Frösche zu gucken! Bevor Albus so respektiert und respektabel wurde und all der Quark, gab es einige enorm komische Gerüchte über ihn!«
»Haltlose und hinterhältige Gerüchte«, sagte Doge und lief wieder radieschenrot an.
»War klar, dass du das sagst, Elphias«, gackerte Tantchen Muriel. »Mir ist nicht entgangen, wie du in deinem Nachruf die tückischen Stellen umkurvt hast!«
»Ich bedaure, dass du so denkst«, sagte Doge noch kühler. »Ich versichere dir, dass ich aufrichtig geschrieben habe.«
»Oh, wir wissen alle, dass du Dumbledore vergöttert hast; ich vermute, dass du ihn sogar dann noch für einen Heiligen halten wirst, wenn sich tatsächlich herausstellt, dass er seine Schwester, diese Squib, um die Ecke gebracht hat!«
»Muriel!«, rief Doge.
Ein Kältegefühl, das nichts mit dem eisgekühlten Champagner zu tun hatte, stahl sich in Harrys Brust.
»Was soll das heißen?«, fragte er Muriel. »Wer hat behauptet, dass seine Schwester eine Squib war? Ich dachte, sie war krank?«
»Da lagst du allerdings falsch, Barry!«, sagte Tantchen Muriel, offenbar entzückt über die Wirkung, die sie erzielt hatte. »Und überhaupt, wie konntest du glauben, dass du irgendetwas darüber weißt? Das alles geschah, viele, viele Jahre bevor man überhaupt an dich dachte, mein Lieber, und Tatsache ist, dass die von uns, die damals schon lebten, nie erfuhren, was wirklich geschah. Darum kann ich es kaum erwarten, herauszufinden, was Kimmkorn ausgegraben hat! Dumbledore hat diese Schwester von ihm lange Zeit geheim gehalten!«
»Falsch!«, stieß Doge keuchend hervor. »Vollkommen falsch!«
»Er hat mir nie erzählt, dass seine Schwester eine Squib war«, sagte Harry, ohne nachzudenken, und nach wie vor war ihm kalt ums Herz.
»Und warum, zum Henker, sollte er es dir erzählen?«, kreischte Muriel und schwankte ein wenig auf ihrem Stuhl, als sie versuchte Harry scharf zu fixieren.
»Der Grund, weshalb Albus nie über Ariana sprach«, begann Elphias und seine Stimme war steif vor Ergriffenheit, »ist, wie ich meinen würde, ganz offensichtlich. Ihr Tod hat ihn so erschüttert –«
»Warum hat niemand sie je gesehen, Elphias?«, keifte Muriel. »Warum hat die halbe Welt nicht mal gewusst, dass es sie gab, bis man den Sarg aus dem Haus trug und ihr ein Begräbnis bereitete? Wo war der heilige Albus, während Ariana im Keller eingesperrt war? Auf und davon in Hogwarts, um dort zu brillieren, ganz gleich was in seinem eigenen Haus vor sich ging!«
»Was soll das heißen: ›im Keller eingesperrt‹?«, fragte Harry. »Was hat das zu bedeuten?«
Doge sah deprimiert aus. Tantchen Muriel gackerte erneut und antwortete Harry.
»Dumbledores Mutter war eine schreckliche Frau, einfach schrecklich. Muggelstämmig, obwohl ich gehört habe, dass sie das Gegenteil vortäuschte –«
»Sie hat nie etwas Derartiges vorgetäuscht! Kendra war eine großartige Frau«, flüsterte Doge kläglich, aber Tantchen Muriel ignorierte ihn.
»– stolz und sehr herrisch, die Sorte Hexe, die es wohl als tödliche Schande empfand, eine Squib zu gebären –«
»Ariana war keine Squib!«, keuchte Doge.
»Das behauptest du, Elphias, aber dann erklär mal, warum sie nie nach Hogwarts gegangen ist!«, sagte Tantchen Muriel. Sie wandte sich wieder an Harry. »Zu unserer Zeit wurde die Existenz von Squibs oft vertuscht. Es allerdings so weit zu treiben, dass man tatsächlich ein kleines Mädchen im Haus gefangen hält und so tut, als würde es nicht existieren –«
»Ich versichere dir, das ist nicht geschehen!«, sagte Doge, aber Tantchen Muriel rollte wie eine Dampfwalze weiter, wobei sie immer noch an Harry gewandt
Weitere Kostenlose Bücher