Harry Potter und die Kammer des Schreckens
hatte einen Spieler weniger gehabt und die schlimmste Niederlage seit dreihundert Jahren einstecken müssen.
Wood brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. Die letzte Niederlage quälte ihn offenbar immer noch.
»Deshalb strengen wir uns dieses Jahr noch mehr an als sonst … Also los, gehen wir und setzen unsere neuen Theorien in die Praxis um!«, rief Wood, packte seinen Besen und marschierte hinaus. Steifbeinig und immer noch gähnend folgte ihm seine Mannschaft.
Sie waren so lange in der Kabine gewesen, dass die Sonne inzwischen ganz aufgegangen war, wenn auch noch Reste des Morgennebels über dem Stadionrasen hingen. Als Harry das Feld betrat, sah er Ron und Hermine auf der Tribüne sitzen.
»Seid ihr noch nicht fertig?«, rief Ron ungläubig.
»Haben noch nicht mal angefangen«, entgegnete Harry und schielte neidisch auf die Toasts mit Marmelade, die Ron und Hermine aus der Großen Halle mitgebracht hatten. »Wood hat uns neue Spielzüge erläutert.«
Er bestieg seinen Besen, stieß sich vom Boden ab und sauste hoch in die Lüfte. Die kühle Morgenluft peitschte ihm ins Gesicht und weckte seine Lebensgeister gründlicher als Woods langatmiger Vortrag. Ein wunderbares Gefühl, wieder auf dem Quidditch-Feld zu sein. Mit vollem Karacho sauste er um das Stadion und jagte Fred und George hinterher.
»Was ist das für ein komisches Klicken?«, rief Fred, als sie sich in eine Kurve legten.
Harry blickte hinunter auf die Ränge. Colin saß auf einem der höchsten Plätze, hielt die Kamera vor die Augen und schoss ein Foto nach dem andern. In dem fast menschenleeren Stadion klang das Klicken merkwürdig laut.
»Schau hierher, Harry, hierher!«, rief er schrill.
»Wer ist denn das?«, sagte Fred.
»Keine Ahnung«, log Harry und legte einen Spurt ein, um möglichst weit von Colin wegzukommen.
»Was geht da vor?«, sagte Wood stirnrunzelnd und kam zu ihnen herübergeglitten. »Warum macht dieser Erstklässler Fotos? Ich mag das nicht. Womöglich ist er ein Spion der Slytherins, der unser neues Trainingsprogramm auskundschaften will.«
»Er ist ein Gryffindor«, sagte Harry rasch.
»Und die Slytherins brauchen keinen Spion, Oliver«, sagte George.
»Wieso?«, fragte Wood gereizt.
»Weil sie selbst hier sind«, sagte George und deutete auf die Erde.
Mehrere Gestalten in grünen Umhängen und mit Besen in den Händen schritten auf das Feld zu.
»Ist doch nicht zu fassen!«, zischte Wood empört. »Ich hab das Feld für heute gebucht! Das werden wir ja sehen!«
Wood schoss zur Erde und schlug in seinem Zorn doch etwas härter auf als beabsichtigt. Mit zitternden Knien stieg er vom Besen. Harry, Fred und George folgten ihm.
»Flint!«, bellte Wood den Kapitän der Slytherins an, »das ist unsere Trainingszeit! Wir sind extra früh aufgestanden! Ihr könnt gleich wieder Leine ziehen!«
Marcus Flint war sogar noch größer als Wood. Mit trollhaft durchtriebener Miene antwortete er: »Ist doch Platz genug für uns alle da, Wood.«
Auch Angelina, Alicia und Katie kamen herüber. Mädchen gab es keine im Team der Slytherins; allesamt grinsend standen sie jetzt Schulter an Schulter vor den Gryffindors.
»Aber ich hab das Feld gebucht«, sagte Wood, jetzt buchstäblich spuckend vor Wut. »Ich hab’s gebucht!«
»Aah«, sagte Flint. »Ich habe hier allerdings eine von Professor Snape persönlich unterzeichnete Erklärung: ›Ich, Professor S. Snape, erteile dem Slytherin-Team die Erlaubnis, am heutigen Tage auf dem Quidditch-Feld zu trainieren aufgrund der Notwendigkeit, ihren neuen Sucher auszubilden.‹«
»Ihr habt einen neuen Sucher?«, sagte Wood verwirrt. »Wen?«
Und hinter den sechs stämmigen Gestalten vor ihnen kam ein siebter, kleinerer Junge zum Vorschein, über das ganze bleiche, spitze Gesicht feixend. Es war Draco Malfoy.
»Bist du nicht der Sohn von Lucius Malfoy?«, fragte Fred und musterte Malfoy geringschätzig.
»Komisch, dass du Dracos Vater erwähnst«, sagte Flint und die Slytherin-Mannschaft setzte ein noch breiteres Grinsen auf. »Seht mal her, was für ein großzügiges Geschenk er dem Slytherin-Team gemacht hat.«
Alle sieben hielten ihre Besen in die Höhe. Sieben auf Hochglanz polierte, brandneue Besenstiele und siebenmal die Aufschrift in gediegenen Goldlettern, die unter den Nasen der Gryffindors in der frühen Morgensonne schimmerten: »Nimbus Zweitausendeins«.
»Das allerneueste Modell. Kam erst letzten Monat raus«, sagte Flint lässig und blies ein Staubkorn von
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