Harte Schule
kennst du doch? –, der hat das Auto nicht gekriegt, und dann sind wir mit dem Bus. Und jetzt sitz ich hier … Also kannst du mich abholen? Das wäre voll porno. Wenn ich um sieben nicht daheim bin, kriegt meine Mutter die Krise.«
»Du hast wohl ’nen Schuss!«
»Ich würd’s dir nie vergessen, mein Leben lang nicht, ich schwör.«
»Nein!«
»Aber die sperren mich ein!« Die Stimme schwankte reichlich uncool. »Die machen hier total Stress.«
Mir schwante Schlimmes. »Wo bist du denn?«
»Also pass auf: Ich bin hier in Bietigheim. Weißt du, wo das ist? Also auf der Polizei.«
»Und weshalb?«
»Ich hab wirklich nicht gewusst, dass er den Schlitten geklaut hat. Ich schwör, ich dachte, der war von seinem Vater. Und dann hat er ihn geschrottet und sich verpisst. Der gehört zurückgefickt und abgetrieben, aber voll mit Vergewaltigung.«
»Wer?«
»Ich weiß nicht, wie der heißt. Ich hab ihn in der Dis ko getroffen. Er wollte mich heimfahren.«
»Hast du eigentlich nur Gelatine im Hirn?«
»Also gut.« Sie senkte die Stimme fast bis ins Unhörbare. »Es war Marko. Aber ich kann ihn doch nicht verpfeifen. Du musst mir helfen. Die sperren mich hier ein.«
»Die wollen deine Mutter sehen, nicht mich.«
»Bitte, bitte, bitte!«
Ich fluchte aus dem Vollen. Das Telefon machte einen Hupser. Steffi jubelte. Ich kam mir verarscht vor und be stellte ein Rauchertaxi. Bis es kam, hatte ich mir das drit te Sweatshirt übergezogen und die alte Lederjacke. Aber es half alles nichts gegen den Schüttelfrost, den ein schlafsüchtiges Hirn produzierte. Das Taxi stank nach kaltem Rauch. Bis zur Wörrishofener Straße, in der Brontë stand, hatte ich zwei Zigaretten kurzgemacht. Das Niko tin strangulierte zwar den Blutfluss in den Händen, weckte aber nach einer Phase von Sehstörungen und Schwindel den Funkverkehr zwischen den kleinen grauen Zellen. Als ich Brontë startete, wusste ich wenigstens, dass ich Richtung Norden auf die Autobahn musste. Die Diskoflitzer sah ich alle von hinten.
Zu meiner Zeit hatten die Eltern gelitten, weil die Teenager am Wochenende in die Diskotheken in der Stadt fuhren. Aber heutzutage nützte es nichts, wenn man mit den Halbwüchsigen in die Stadt zog. Die angesagten Diskos befanden sich jetzt neben dem ländlichen Einkaufszentrum auf der grünen Wiese.
Bietigheim lag still unter schwarzer Nacht. Ich eichte meinen Blick auf die kleinen blauen Schildchen mit der weißen Schrift »Polizei«. Nach einer Viertelstunde Kurverei durch Ring- und Einbahnstraßen mit blinkenden Ampeln entdeckte ich das Revier. Drei Stufen, eine Glastür, eine Klingel, eine Schleuse mit kugelsicherem Glas. Der Polizeimeister dahinter nahm meinen Ausweis wortlos entgegen. Ein Polizeihauptmeister öffnete die nächste Tür. Dahinter döste Steffi auf einer Bank, die Hände in den Ärmeln, und schoss hoch, als sie mich sah. »Dann kann ich ja jetzt wohl gehen.«
Der Polizeihauptmeister zwirbelte seinen Schnauzer und musterte meinen Ausweis. Er hatte acht Dienststunden überstanden und noch zwei vor sich. Von der Nachtration aus dem Rucksack auf dem Tisch im angrenzenden Büro war noch eine Banane übrig, die neben der Schachtel Zigaretten lag.
»In welchem Verhältnis stehen Sie zu der jungen Dame?«
»Ich bin eine Freundin der Familie.«
Sein Gesicht grünte im Neonlicht. Am Unterlid seines linken Auges hing eine Warze in störender Position.
»Dann können Sie mir vielleicht sagen, wo sich die Mutter dieser jungen Dame aufhält.«
»Sie ist bei ihrem Freund«, fuhr Steffi dazwischen. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Die Telefonnummer weiß ich nicht.«
»Steffi«, sagte ich, »du hältst die Klappe. Verstanden?«
Der Polizist nickte anerkennend. »Die junge Dame weiß offenbar auch nicht, wie dieser Freund ihrer Frau Mutter heißt. Wir haben die junge Dame bei einem verunfallten Wagen auf der Rastanlage Freiberg aufgegriffen. Nach unseren Erkenntnissen ist der Fahrzeuglenker mit überhöhter Geschwindigkeit in die Rastanlage eingefahren, hat die Kontrolle über den Pkw verloren und ist in der Folge gegen das Toilettenhäuschen geprallt. Der Sachschaden ist erheblich. Die junge Dame gibt an, der Fahrzeuglenker habe Unfallflucht begangen.«
Ich konnte mir schwer vorstellen, dass Steffi das so ausgedrückt hatte.
»Des Weiteren gibt sie an, sie kenne die Identität des Fahrzeuglenkers nicht. Der verunfallte Pkw ist im Übrigen als gestohlen gemeldet.«
»Er wollte mir an die Wäsche, dieser
Weitere Kostenlose Bücher