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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Verhaftet mich, oder so?«
    »Ich habe denen gesagt«, erwiderte ich kühl, »dass Marko den Wagen gefahren hat.«
    Steffi schluckte. Eine Weile kam nichts, dann jaulte sie: »Scheiße!«, drehte sich einmal um die eigene Achse und hieb mit der Faust auf Brontës Faltdach. »Warum hast du das gemacht?«
    »Oder wolltest du«, fragte ich, »dass deine Mutter den Wagen bezahlt und das Scheißhäuschen dazu? Ja?«
    »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
    »Sehr richtig. So ist das, wenn man jeden Scheiß mitmacht.«
    Unversehens rutschte Steffi die Hand aus. Verkehrte Welt. Früher hatte meine Mutter mit lockerer Hand auf meine schnippischen Bemerkungen geantwortet. Jetzt blockte ich die Ohrfeige einer Vierzehnjährigen ab, dreh te meine Schulter unter ihre Achsel und warf sie in einem Salto vor mich auf den Asphalt. Allerdings hielt ich ihre Schlaghand fest, damit Steffi nicht auf dem Rücken aufschlug. Gemessen an der Überraschung kam sie schnell wieder auf die Füße. Ihr Atem wölkte heftig vor dem hübschen Mund. »Du kannst ja Karate.«
    »Das war Judo.«
    »Porno!«
    »Gibt’s eigentlich keinen anderen Ausdruck für super?«
    Steffi blickte mich verständnislos an. Wir bestiegen Brontë. Sie knabberte an den Fingernägeln, bis wir auf der Autobahn waren.
    »Glaubst du, dass meine Mutter davon erfährt?«
    »Was ist eigentlich mit deiner Mutter? Du hintergehst sie, du belügst sie, du verkaufst sie für blöd.«
    »Meine Mutter ist voll in Ordnung. Ich schwör. Sie hat jemanden wie mich echt nicht verdient. Ich mag meine Mutter. Das würden nicht viele sagen. Aber so bin ich eben.«
    Ich wünschte, ich wäre Gott und könnte im Hirn des Mädels den Schalter umlegen, damit sie anfing, normal zu denken. Vierzehn Jahre und schon keine Zukunft mehr. Die Mutter rackerte sich als Verkäuferin ab, während die Tochter alles daransetzte, von der Schule zu fliegen. Ich war zu katholisch erzogen worden, um zu verstehen, warum jemand, ohne nachzudenken, mit ei nem Freund ohne Führerschein im geklauten Auto spazieren fuhr.
    »Ich will jetzt leben«, erklärte Steffi.
    »Fun haben ist nicht leben«, behauptete ich.
    »Dann will ich eben Fun haben.«
    »Und warum bist du dann zu Marquardt in Esoterik gegangen? Ist das Fun?«
    »In China können sie mit Meditation fliegen.«
    »Wenn, dann in Indien.«
    »Der Jürgen hat so einen Film gezeigt. Du kannst die Materie besiegen. Du kannst alles erreichen, was du willst. Du hast voll die Macht über andere. Du kannst sie sogar töten mit einer Puppe.«
    »Du meinst wohl Voodoo.«
    »Jedenfalls, der Jürgen hatte das voll drauf. Der kann te sich aus. Er hat das von den Außerirdischen gelernt, die er in Indien getroffen hat oder so.«
    »In Peru.«
    »Ich mein ja nur, der Jürgen kannte sich vierlagig aus in der schwarzen Magie.«
    »Warum habt ihr ihn dann umgebracht?«
    Steffi lutschte am Jackenkragen und linste herüber. »Ich könnte nie jemanden töten, mit dem ganzen Blut und so. Das ist voll eklig.«
    »Und Marko?«
    Sie schwieg. Ich düste über den Zubringer Zuffenhausen in die Stadt hinein. Die Landespolizeidirektion am Pragsattel lag kasernenfriedlich als Lichtorgie in den Weinhängen. Unterhalb führte die lange einsame Löwentorstraße in den Hallschlag. Die Gegend wurde von ame rikanischen Reihensilos, dem Römerkastell, der Gewer beschule und – aus Sicht der Schüler – von der Carl-Benz-Schule beherrscht.
    »Wo wohnst du?«, erkundigte ich mich, als wir unter der Bahnlinie hindurch von oben in Münster einfuhren. Steffi nuschelte was und meinte dann, ich könne sie hier rauslassen, sie wolle noch bei einem Kumpel vorbei.
    »Jetzt um halb fünf?«
    »Ich habe keinen Hausschlüssel.«
    »Schluss mit den Geschichten«, sagte ich. »Sonst liefere ich dich auf dem Revier in Cannstatt ab.«
    »Mainstraße«, sagte sie. »Gegenüber der Apotheke.«
    Zur Apotheke wies ein Schild. Die Straße war schmal und zentimeterdicht zugeparkt. Leer waren nur die Kundenparkplätze vor der Apotheke. Steffi reichte mir über den Schaltknüppel die kalte Hand und bedankte sich ar tig. Aber ich stieg mit aus. Sie inszenierte einen zweiten Abschied. Sie war nicht blöd. Sie war sogar ziemlich helle. Schade, dass sie damit nichts Besseres anfing. Als ihr klar wurde, dass sie mich nicht mit Geld und guten Worten loswurde, bevor sie hinter einer Haustür verschwunden war, kreuzte sie ergeben die Straße. Das Häuschen erweckte den Eindruck, in einem Gärtchen zu stehen, tatsächlich aber war es

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