Harte Schule
hatten wir uns auf dem Schlossplatz verabredet, zweitens war ich eine Stunde zu früh. Das Parkett knisterte. Sie führte mich in ein nachmittagssonnenerhelltes Erkerzimmer mit Weitblick über Bahnhof und Stadtkessel bis hinüber zur Weinsteige unterm Fernsehturm.
Und aus dem kantigen Ledersessel am Glastisch erhob sich Richard Weber.
Ihm war nichts peinlich, aber Isolde knetete die Hände vor dem schlanken Leib. Sie trug auch an einem Samstagnachmittag daheim gebügelte fließende Stoffe. Richard behauptete, er sei ohnehin im Aufbruch. Isolde sah erleichtert aus. Da er mir keinen Blick gönnte, stoppte ich ihn mit der Schulter, als er an mir vorbei zur Tür wollte. Außerdem häkelte ich ihm schnell den italienisch besohlten Fuß weg. Er stolperte elegant, aber immerhin wackelte eine Designervitrine mit einer Flotte silberner Pokale. Sein Blick vernetzte sich mit dem blauen Gift Isoldes zu einem indignierten »Was soll man dazu sagen?«
Ich betrachtete die Pokale in der Vitrine, während Isolde den Herrn an der Wohnungstür verabschiedete, machte die Ohren lang, um eventuelle Intimgeräusche zu erhaschen, und stellte fest, dass Kurt Holzer Sportschütze war. Isolde kam wieder, verlegen wie eine Hausfrau, die vom Partyservice versetzt worden war.
»Hat er Sie gefragt«, erkundigte ich mich, »ob ich Sie und Ihren Freund vor der Aktion bei TVCinema gewarnt habe?«
»Nein.«
»Was wollte er dann?«
»Ich glaube nicht, dass Sie das was angeht.«
»Oh!«
Isolde nestelte sich das Haar hinters Ohr.
»Tja«, sagte ich. »Dann ziehen Sie sich mal um. Oder haben Sie unsere Verabredung mit den Punks vergessen? Ich würde Jeans empfehlen und ein Paar Schuhe, in de nen sie notfalls rennen können.«
Sie sank plötzlich in einen der Ledersessel. Da hockte sie dünn, schmal und erschrocken.
»Es geht mich ja wirklich nichts an«, sagte ich, »aber ich vermute, Weber hat Ihnen eröffnet, dass Ihr Freund per Haftbefehl gesucht wird und dass Sie sich der Beihil fe schuldig machen, wenn Sie seinen Aufenthaltsort kennen und verschweigen. Ich fürchte, wenn Weber einen Haftbefehl beantragt hat, dann hat er erdrückende Beweise. Er hat, abgesehen von einem einzigen Mal, noch nie ei nen Prozess verloren.«
Isoldes Blick befeuchtete sich mit süßem Vertrauen. »Sie kennen ihn doch schon länger. Ich meine, kann man ihm trauen? Er hat … nun, er hat gesagt, dass sie ihn … nun, dass Kurt möglicherweise in Gefahr schwebt, wenn er sich nicht schnellstmöglich mit ihm in Verbindung setzt.«
Ich bedachte das Dreieck des Bösen: Kindersex, Videohandel und korrupte Polizei. Richard hatte also den Kampf gegen Christoph Weininger immer noch nicht aufgegeben. Das hatte was von einem Bullterrier, der sich in ein Kind verbeißt und nicht loslässt, auch wenn man ihm in die Eier tritt. Ich konnte Isolde nicht gut sagen, dass der Oberstaatsanwalt einen Dachschaden hatte. Wie weit war er gegangen, um Isolde die Antwort auf die Frage abzuringen: »Wer hat denn nun tatsächlich Ihren Freund vor der Hausdurchsuchung gewarnt?«
Isolde sah mich an, so lange, bis ich mir in meinen drei Sweatshirts schäbig vorkam und ans Fenster trat, um einen Blick auf die Stadt zu werfen.
»Elsäßer«, sagte Isolde leise, »Elsäßer hat so etwas angedeutet, als wir beim Mittagessen waren. Wir hatten über meine künftige Tätigkeit gesprochen, und er sagte: Da läuft was gegen TVCinema. Die Steuerfahndung sei dran. Ich wusste natürlich, dass Elsäßer und Weber zu sammen Tennis spielen. Ich dachte, er hat es von Weber.«
»Oje.«
»Aber Kurt hat ganz klar gesagt, er hat nichts mit irgendwelchen krummen Geschäften zu tun. Außerdem wollte er sowieso weg von dieser Firma. Sein Vater will mit dem Verlag aufhören, und Kurt soll ihn übernehmen.«
»Wissen Sie, wo er sich jetzt aufhält? Sie brauchen es mir nicht zu sagen. Und sollte er sich bei Ihnen melden, dann fragen Sie ihn auch nicht, wo er ist. Das Telefon könnte abgehört werden. Aber raten Sie ihm dringend, sich bei Weber zu melden, ohne Umweg über die Polizei. Wenn er unschuldig ist, umso besser. Wenn nicht, wird Weber ihn wenigstens korrekt hinrichten lassen. Das Wichtigste dabei: Weber lehnt die Todesstrafe ab.«
Isolde drehte an ihrem Brillantring. Ich deutete auf die Vitrine mit den Pokalen. »Schießt er gut?«
»Jedenfalls«, sagte Isolde schnippisch und stand auf, »würde er nie auf Menschen schießen, nicht mal auf Tiere.«
Ich folgte ihr etwas blöde ins Schlafzimmer. Es war
Weitere Kostenlose Bücher