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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mit Schrank, Stühlen, Schminktisch, Nachttischen und diskretem Doppelbett modern biedermeierlich ausgestattet. Ein sahnefarbener Teppich flauschte auf dem Boden. Isolde legte ein Paar Jenas und einen beigefarbenen Pullover aufs Bett. Dann wandte sie sich entschlossen mir zu. »Ich habe zwar während meiner Zeit im Internat mein Zimmer mit andern teilen müssen, und es macht mir nichts aus, mich vor anderen auszuziehen, aber würden Sie vielleicht trotzdem im Wohnzimmer warten.«
    Ich lehnte mich gegen den Türrahmen. »Ich hatte kei ne Schwester, und meine Mutter hat nicht mal sich selbst nackt gesehen. Im Umkleideraum beim Turnunterricht auf dem Dorf ging es so schrill zu, dass ich erst zwanzig werden musste, ehe ich mir sicher war, dass ich eine Frau bin.«
    »Sehr überzeugend scheint das ja nicht gewesen zu sein.«
    Ich lachte. »Lesben sind nicht notwendig kastrierte Männer. Im Gegenteil. Wer sich selbst nicht mag, kann auch keine andere Frau lieben.«
    Isolde knöpfte nun doch die Seidenbluse auf. Das Unterhemd war erstaunlich baumwollen, die Brüste darunter klein und störrisch, der Leib von kindlicher Biegsamkeit.
    »Wie sollte«, fuhr ich fort, »eine Frau die Frauen auch nicht lieben, da sie doch das Wunder der Weiblichkeit zuerst an sich selbst erfährt? Es runden sich die Brüste, die Hüften, die Schenkel. Eine Entpuppung, die dem Mann vorenthalten ist. Und dann geht das erblühte Mädchen mit dem ersten Freund ins Kino. Auf der Leinwand Busen und Po und an ihrer Seite der schnaufende Grabscher. Dann weißt du, dass sich die Anziehungskraft aller Frauen in dir wiederholt und dass du kraft deines biologischen Wunders die Macht hast, jeden Mann in ein keuchendes Stück Besinnungslosigkeit zu verwandeln. Was hat dagegen der Mann?«
    Isolde schlüpfte schnell in den beigefarbenen Pullover. Ehe sie an die Hosen ging, kramte sie ein Paar Stiefelet ten aus dem Schrank, ganz Modeboxerschnürer von Bally.
    »Der Mann«, fuhr ich fort, »hat nur ein bisschen Körperkraft, um die Macht, die wir Frauen über seinen Schwanz haben, umzudeuten in Dominanz. Und oft hat er nicht mal das.«
    Isolde ließ, nunmehr zu allem entschlossen, die schwarze Hose von der Hüfte gleiten. Die meisten Menschen ziehen sich ihr Leben lang so aus, wie sie es als Kinder gemacht haben. Isolde ließ einfach das Beinkleid auf den Teppich welken, stieg aus der Stoffacht heraus, bückte sich und hob sie auf. Auch ihr Slip entsprach nicht dem, was man an Stringtangas derzeit in den Kaufhäusern sah. Er war eher ein Schlüpfer.
    Ich stieß mich vom Türrahmen ab. »Die männliche Herrschaft hat aus dem Geschlechtsakt eine Demütigung der Frau gemacht und ihre Eigenliebe vernichtet. Du schwankst zwischen Subjekt und Objekt. Du liebst ihn, aber er sucht nur den Eingang für seinen Knüppel. Du hast ihn, solange du Busen und Po bereitstellst. Du überprüfst dich im Spiegel. Was bist du nun?«
    Isolde zog die Jeans schützend vor den Unterleib.
    »Frau oder Mann?«
    Sie wich zurück.
    »Du bist ein Mann«, schloss ich. »Genau wie ich. Du siehst dich mit kritischen Augen, seinen Augen. Nie würdest du zerstören, was dich sexy macht. Du ziehst dir diese Jeans an, die du gekauft hast, weil sie deinen Hintern knackig machen. Und für wen? Etwa für den Mann? Nein, Frauen machen sich immer für sich selbst schön. Also sind sie Männer.«
    Isolde lachte auf. Sie konnte nicht weiter zurückweichen. Sie war am Schminktischchen angekommen. Ich strich mit dem Handrücken über die kleinen festen Knos pen unter dem Kaschmirpullover. Sie gab mir eine safti ge Ohrfeige. Ich hatte nämlich nicht damit gerechnet, dass sie Linkshänderin war, und bekam ihr Handgelenk erst nach dem Schlag zu fassen.
    »Au, lass los!«
    Ich zügelte meine Gelüste. »Keine Sorge, ich vergewaltige keine Kinder. Sag mir Bescheid, wenn du erwachsen genug bist für Liebe.«
    »Du perverses Schwein du!«
    Das Du kitzelte wie eine Feder. »Es gibt eine Grundregel im Journalismus«, dozierte ich und wandte mich zur Tür, »niemals Adjektive verwenden, schon gar keine tautologischen. Schweinereien sind immer pervers, sonst nennt man es Sex.«
    Im selben Moment krachte es hinten in meinem Schädel, und ich fand mich der Länge nach auf dem Parkett im Flur wieder. Vor meiner Nase eierte noch das Fläsch chen Venezia. Ich streckte alle viere von mir. Sollte Isol de zusehen, wohin mit der Leiche.
    Bestrumpfte Füße patschten auf dem Parkett herbei. Sie keuchte ein »O Gott, das wollte

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