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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mit der Wahrheit«, sagte ich. »Die hat auch viel mehr Erotik als das ewige Gewinsel.«
    In der Wohnung klappte eine Tür.
    »Raus hier, schnell!«, flüsterte Steffi, warf Markos Ja cke aus dem Fenster, sprang mit den. Stiefeln ins Bett und zog die Micky-Mäuse bis zum Kinn, während Marko und ich uns aus dem Fenster stürzten. Das Gebüsch, das er mit dem Arm beiseitewalkte, schlug mir ins Gesicht. Er sprang übers Törchen. Dazu war ich zu alt und zu müde. »Soll ich dich im Auto irgendwohin mitnehmen?«
    Marko schüttelte den Kopf, rammte die Fäuste in die Taschen und zog die Schultern hoch.
    »Aber eines hätte ich gern noch gewusst: Warum hast du damals die Theateraufführung geschmissen? Ich sage nicht, dass du Marquardt abgestochen hast. Und ich erzähle auch niemandem, dass du schwul bist.«
    »Ich bin keine Schwuchtel.«
    »Aber Marquardt war eine, und du mochtest ihn. Er hat dir zugehört. Dann haben dich die andern damit aufgezogen, dass er andersherum ist. Darum hast du dich aus dem Theaterstück zurückgezogen.«
    »Außerdem hatte ich ’ne Erkältung.«
    »Und warum bist du dann wieder zu ihm in Esoterik?«
    »So halt. Außerdem konnte man da mal reden und so.«
    »Worüber?«
    »Über alles Mögliche, was man so denkt und was man später mal machen will oder so. Halt reden.«
    Na gut, reden war nicht Markos Ding. »Seit wann weißt du das mit Jöran?«
    Marko schlitzte die Augen.
    »Hat Jöran dir vom Club erzählt, oder war es Marquardt?«
    »Nee, Jöran hat gesagt, da kann man Kohle verdienen und so. Der Otter soll da auch hingehen.«
    »Weiß Steffi davon?«
    Marko schüttelte heftig den Kopf.
    »Wusste es Marquardt?«
    »Glaub ich nicht.«
    »Warum habt ihr nicht versucht, den Otter zu erpressen?«
    »Die hätten den Jöran doch einfach kaltgemacht und mich auch. Vor zwei Jahren ist schon mal einer verschwunden.«
    »Selim Ögalan?«
    »Hm.«
    »Und wer sind die ?«
    Marko hob die Schultern. »Die stecken alle unter einer Decke, die vom Club, der Otter und die Bullen und so. Die haben den Jürgen umgebracht. Jetzt suchen sie nach einem Sündenbock, und deshalb soll ich es gewesen sein, weil ich sowieso Kroate bin. Den Selim hängen sie mir dann auch noch an. Aber sag mir mal: Warum soll ich denn den Jürgen kaltgemacht haben? Wieso sagen die das? Sogar mein Vater glaubt mir nicht. Und im Knast, da machen sie doch einen wie mich gleich fertig. Ich hau ab. Ich geh nach Kroatien.«
    Es gongte fünf Uhr. Marko lehnte das Angebot ab, bei mir zu pennen, und verschwand schiefschultrig zwischen den geparkten Autos.
    Ich nahm seine düstere Zukunft mit. Ich hatte das Gefühl, mein Bett liege unerreichbar auf einer Insel im Schwarzen Meer, umgeben von Eisschollen. Als ich an der Staatsanwaltschaft entlangfuhr, um weiter vorn den U-Turn zu machen, sah ich drüben, keine zehn Meter von meinem Hauseingang entfernt, einen schwarzen Cherokee mit zwei Kerlen drin. So schnell konnten sie meine Adresse eigentlich nur von der Polizei haben. Ich fuhr vorbei, bog zur Friedenskirche hoch, überließ es Brontë, eine Parklücke zu finden, und stieg die Urbanstraße hinauf. Bei Sally konnte man zu jeder Zeit klingeln.

11
     
    Eine kalte Schnauze stupste. Senta hechelte mir ins Ge sicht. Der schwarze Kater blinzelte vom Nachttisch her ab, die gelbe Katze ratzte auf meinen Beinen, und der alte Kater schnarchte an meinem Ohr auf dem Kopfkissen. Sally stellte mir einen Becher Kaffee hin.
    »Wie spät?«
    »Drei durch. Du warst klinisch tot.«
    Die alte Schäferhündin äußerte schweifwedelnd die Hoffnung, wir würden jetzt zu einem Nachmittagsspaziergang aufbrechen. Ich schaufelte die Katzen von mir. »Welchen Wochentag haben wir?«
    »Samstag.«
    Ich war mit Isolde zu den Chaostagen verabredet.
    »Dein Staatsanwalt hat angerufen«, sagte Sally. »So um zehn rum. Aber wie gesagt, du warst klinisch tot.«
    Der Rigor mortis hatte auch schon eingesetzt: Ich war steif wie ein Brett. Sally bereitete mir ein Bad mit Rosmarin, das mich fast das Leben kostete, weil ich erneut in Schlaf sackte. Ich spuckte Schaum und schluckte lila Rosmarinwasser. Das machte wach. Sally überließ mir einen Schlüpfer mit Spitzen, der nach Waschmittel roch, servierte mir ein Aspirin, besprengte meine drei Sweatshirts mit One von Calvin Klein und entließ mich Rosmarin rülpsend aus ihrem Tierasyl unterm Dach.
    Isolde wohnte schlicht und nobel in der Panoramastra ße. Sie war gelinde überrascht, mich auf ihrer Türschwelle zu sehen. Erstens

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