Harte Schule
ich das alte Thema wieder auf. »Aber ich glaube, es war Otter. Er geht nämlich in einen schwulen Kinderpuff.«
Persephone schüttelte ein Schüttelfrost. Vielleicht hat te ich die Reife ihrer Seele doch überschätzt. Das passierte schnell bei Hochbegabten. Ihre Intelligenz machte sie empfindlich, der Mangel an Erfahrung ungeduldig. Deshalb waren sie unnahbar für ihre Eltern.
»Dann muss man ihn anzeigen«, sagte Gunter mit ei ner sehr sanften Stimme.
»Wie denn?«, erwiderte Persephone. »Wenn die Jungs ihn nicht anzeigen. Außerdem kommt man mit so einer Anzeige fast nie durch.«
Sie war doch nicht so unerfahren. Und nicht nur das: Das Otter-Problem war ihr nicht einmal neu.
»War es nicht dein Vater«, bemerkte ich, »der damals die Anklage im Fall der Kinderschänder von Stammheim vertrat?« Man hatte vor ein paar Jahren das Personal eines ganzen Kinderhorts angeklagt. Einer Gruppe von Eltern war aufgefallen, dass ihre Kinder plötzlich Penisse malten. Doch dann hatten die Gutachter dem Gericht vorgeführt, dass man Kinder so suggestiv befragen konn te, dass sie den Erwachsenen jede Aussage für eine Missbrauchsanklage lieferten. Der Prozess endete mit Freisprüchen aus Mangel an Beweisen.
»Ich kenne Staatsanwalt Weber ganz gut«, ergänzte ich.
Persephone äugte und prustete plötzlich los. »Dann bist du …?« Sie hielt sich die Kicherfresse zu.
»Ich hab grad keine Peilung«, mäkelte Gunter.
»Ich hab dir doch erzählt von der …«, gluckste sie, »von der … na, Freundin von Weber.«
Gunter lachte laut heraus. »Die Entgleisung. Hallo, Entgleisung.«
»Entschuldigung«, kicherte Persephone. »Mein Vater kann Weber nicht ausstehen. Verheiratete Männer sind immer neidisch auf Junggesellen. Meine Mutti macht ihm eine Szene wegen jeder jungen Referendarin. Er hat schon wegen nichts so eine Hölle, dass er immer wegschaut, wenn eine hübsche Frau auftaucht. Dabei hätte er gern mal ein Abenteuer. Meine Mutter ist eine Giftspritze und mein Vater ein Gallensack.«
»Gratuliere«, sagte ich. So nüchtern hatte ich in dem Alter meine Eltern nicht analysiert.
Wir durften unsere Schuhe wieder anziehen. Mit der Rückgabe der Ausweise wurde jedem Einzelnen von uns ein feierlicher Platzverweis ausgesprochen. Bis Montag früh durften wir uns im Stadtzentrum nicht wieder bli cken lassen. Gunter, der außerhalb in Hofen wohnte, durfte die gesamte Landeshauptstadt nicht betreten.
Isolde protestierte vergeblich.
Ich fuhr sie hoch in die Panoramastraße. Oben in der Wohnung rief ich in der Redaktion an, um mitzuteilen, dass aus dem Bericht über die Chaostage nichts werden würde. Bei Richard meldete sich wieder nur der Anrufbeantworter. Ich gierte nach einer Zigarette und überlegte missmutig, wie ich Isolde, die erwartungsvoll auf der Couch saß, alleine ließ, ohne sie zu beleidigen.
»Jede Wette«, sagte ich unterdessen, »Elsäßer hatte den Tipp über TVCinema von Persephones Vater.«
»Warum verdächtigt Weber dann dich?«
Der Satz war blond und schmerzlich. »Aus alter Gewohnheit. Wenn du ihm helfen willst, dann frag Elsäßer, von wem er den Tipp hatte.«
»Warum sollte ich Weber helfen? Er ist hinter Kurt her.«
»Gott ja, um Kurt geht es doch nur am Rande.«
»Er ist immerhin mein Freund!«
»Na, dafür ist es dir aber leichtgefallen, deinen Kurt zu betrügen.«
»Ich glaube, du gehst jetzt besser.«
»Heute Nachmittag hättest du mich rausschmeißen müssen. Nachkarten gilt nicht. Aber ich wollte sowieso gehen.«
»Ich werde Weber alles erzählen.«
»Mach dir keine Mühe. Ich werde ihn höchstpersönlich mit allen schlüpfrigen Details erfreuen. Dann braucht er bei dir nicht mehr selbst Hand anzulegen.«
»Zu spät!« schrie Isolde plötzlich los. »Dass du’s nur weißt: Er war es nämlich selber, der mir den Tipp gegeben hat. Wahrscheinlich wollte er endlich mal mit einer richtigen Frau ins Bett. Gegen Kurt hat er überhaupt nichts in der Hand. Mit dem Umsatzsteuerbetrug hat Kurt nichts zu tun. Außerdem haben sie sowieso die Ausgangsrechnungen nicht gefunden und können den Gegenbeweis nicht antreten …«
Das klang verdammt nach Richards Juristenkauderwelsch.
»… Und du gehst ihm sowieso schon lange auf den Keks, so wie du dich an ihn ranschmeißt.«
13
Zahnärzte, Richter und Professoren wohnten auf dem Haigst. Der Rest schloss ein Haus in Halbhöhenlage an der Weinsteige in seine Gebete um Geld und Karriere ein. Brontë in ihrem hochzeitsweißen Lack schnurrte
Weitere Kostenlose Bücher