Harter Schnitt
schnell, wie’s geht. Das APD soll unauffällig die Umgebung sichern, und ich will innerhalb von fünf Minuten wissen, wann das SWAT -Kommando eintrifft, sonst brauchen Sie morgen gar nicht zur Arbeit erscheinen.«
Will drückte sein Auge wieder an den Kamerasucher. Faith redete noch immer. Zumindest bewegte sich ihr Mund. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Will ging Roz Levys Wortwahl nicht mehr aus dem Kopf: Tauben und Drosseln. Mrs. Levy war ein Füllhorn alter Sprichwörter wie das, was sie vor zwei Tagen benutzt hatte: Ein Frau kann, den Rock oben, schneller laufen als ein Mann mit der Hose unten. Es war eine merkwürdige Aussage gewesen über ein vierzehnjähriges Mädchen, das mit fünfzehn Jahren bereits ein Baby geboren hatte.
Will fragte die alte Frau: » Warum sind Sie nicht mit diesem Python zu Evelyn gelaufen, als Sie vor zwei Tagen die Schüsse hörten?«
Sie schaute auf die Waffe hinunter. Ihr Tonfall klang ein wenig bockig. » Ev hat mir gesagt, ich darf nicht rüberkommen, egal, was los ist.«
Will hätte sie nie als Befehlsempfängerin eingeschätzt, aber vielleicht war ihr Bellen schlimmer als ihr Beißen. Vergiften war die Tötungsart eines Feiglings, ein kaltblütiger Mord, bei dem man sich nicht einmal die Hände schmutzig machen musste. Er versuchte, sie zur Wahrheit zu drängen. » Aber die Schüsse haben Sie gehört.«
» Ich nahm an, Evelyn kümmerte sich um irgendeine alte Geschichte.« Sie deutete mit dem Daumen auf Amanda. » Vielleicht fällt Ihnen auf, dass Ev sie nicht zu Hilfe rief.«
Amanda hatte das Kinn auf das Funkgerät gestützt. Sie schaute Will an, als würde sie bei einem Topf darauf warten, dass das Wasser zu kochen anfing. Sie war ihm immer zehn Schritte voraus. Wohin seine Gedanken gingen, wusste sie bereits, bevor er es wusste.
Zu Mrs. Levy sagte sie: » Ich wusste, dass Evelyn sich wieder mit Hector traf. Sie hatte es mir schon vor Monaten gesagt.«
» Auf gar keinen Fall. Du warst so schockiert, als du das Foto sahst, wie ich, als ich es aufgenommen hatte.«
» Ist das wichtig, Roz? Nach der ganzen Zeit, ist das wirklich wichtig?«
Die alte Frau schien zu denken, dass es wichtig war. » Es ist doch nicht meine Schuld, wenn sie für zehn Sekunden Lust ihr ganzes Leben aufs Spiel setzt.«
Amanda lachte ungläubig auf. » Zehn Sekunden? Kein Wunder, dass du deinen Mann umgebracht hast. War das alles, was dir der alte Mistkerl geben konnte– zehn Sekunden?« Ihre Stimme klang schneidend, wehmütig, wie vor einer halben Stunde am Telefon.
Ein Mann kann auch mit anderen Dingen spielen als mit Geld.
Sie redete von Will und Sara. Sie redete über die inhärenten Risiken der Liebe.
Will wandte sich wieder der Kamera zu. Faith sprach noch immer. Hatte Roz Levy die Kamera erst heute aufgestellt, oder stand sie schon die ganze Zeit da? Die Sicht ins Haus war gut. Was hatte sie wohl vor zwei Tagen gesehen? Evelyn, die Sandwiches machte. Hector Ortiz, der die Einkäufe ins Haus brachte. Sie gingen ungezwungen miteinander um. Sie hatten eine gemeinsame Vorgeschichte. Eine Vorgeschichte, die Evelyn vor ihrer Familie zu verbergen suchte.
Tauben und Drosseln.
Will schaute von der Kamera hoch. » Er ist Evelyns Sohn.«
Beide Frauen verstummten.
Will sagte: » Hector ist der Vater, richtig? Das ist der Fehler, den Evelyn vor zwanzig Jahren gemacht hatte. Wurde das Bankkonto benutzt, um ihn zu unterstützen?«
Amanda seufzte. » Ich hab’s Ihnen doch gesagt, das Konto ist unwichtig.«
Roz stieß ein angewidertes Schnauben aus. » Also, ich werde es jetzt nicht mehr als Geheimnis behandeln.« Beinahe fröhlich sagte sie zu Will: » Sie konnte ja wohl kaum ein braunes Baby aufziehen, oder? Ich sagte ihr immer, vertausche es mit Faith’ Baby. Die war als Mädchen ziemlich wild. Es hätte keinen gewundert, wenn sie sich mit einem Latin Lover eingelassen hätte.« Sie kicherte über Wills verblüfftes Gesicht. » Vierundzwanzig Jahre später hat sie es sowieso getan.«
» Neunzehn Jahre«, korrigierte Amanda. » Jeremy ist neunzehn.« Sie schaute sich in der Kammer um und schien erst jetzt zu erkennen, was Roz Levy getan hatte. » O Gott«, murmelte sie, » wir hätten dir Kohle für die erste Reihe abknöpfen sollen.«
Will fragte: » Was passierte?«
Amanda drückte das Auge an den Sucher. » Evelyn gab das Baby einer Kollegin. Sandra Esposito. Ihr Ehemann war ebenfalls Polizist. Sie konnten keine eigenen Kinder bekommen.«
» Können wir sie nicht
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